An der Grenze zur Präpotenz

ANALYSE. Bundeskanzler Kurz widerspricht Justizminister Moser bei der Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber. Unfreiwillig bringt er damit sehr viel zum Ausdruck.

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ANALYSE. Bundeskanzler Kurz widerspricht Justizminister Moser bei der Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber. Unfreiwillig bringt er damit sehr viel zum Ausdruck.

Die Republik steht vor einer neuen Herausforderung: Wie umgehen mit potenziellen Mördern und Schwerverbrechern? Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) macht sie ausschließlich in „gefährlichen Asylwerbern“ aus und will denn auch eine präventive Sicherungshaft für sie einführen. Nicht nur Bundespräsident Alexander Van der Bellen sieht das kritisch („rechtlich extrem heikel“). Neben zahlrechen Experten tut das auch Justizminister Josef Moser (ÖVP), der von einer „äußerst sensiblen“ Angelegenheit spricht. Antwort von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP): „Wir brauchen keine Skepsis.“ Auch Arbeitsgruppen und weitere Diskussionen seien überflüssig.

Von daher ist das eine Win-Win-Situation für den Kanzler.

Der 32-Jährige pokert hoch, lässt Muskeln spielen wie noch nie: Sein Kurs ist populär und daher seiner vollsten Überzeugung nach auch schon gut. Die Opposition, von der zumindest ein Teil einer Verfassungsänderung zustimmen muss, hat so gesehen nur zwei Möglichkeiten: Sie kann die Änderung bedingungslos unterstützen oder sich an den Pranger stellen lassen – als diejenige nämlich, die Gutes und Populäres blockiert. Von daher ist das eine Win-Win-Situation für den Kanzler. 

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Man könnte jetzt darüber streiten, inwieweit diese Vorgangsweise noch demokratiefreundlich bzw. gar schon autoritär ist. Entlarvender ist zunächst jedoch, dass es hier nicht einmal mehr am Rande um Rechtsstaatlichkeit und die Sache insgesamt geht. Mit einem Satz: Kurz fordert mit seiner Aussage noch mehr Skepsis heraus, als sie bei einem so komplexen Vorhaben ohnehin schon zwingend ist.

Wer eine wasserdichte Lösung schaffen will, kann gar nicht genug Skeptiker hören.

Wobei Skepsis nicht Ablehnung bedeuten muss. Im Gegenteil: Wer eine wasserdichte Lösung schaffen will, kann gar nicht genug Skeptiker hören. Ihre Hinweise könnten das Ergebnis nur stärken. Aber dazu muss man als Entscheidungsträger halt auch entsprechend gestrickt sein und Widerspruch genau aus diesem Grund haben wollen oder gar fördern.

Grundsätzlich lässt eine Art Sicherungshaft sogar die Europäische Menschenrechtskonvention zu. Konkret in Artikel 5, wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, eine Person an der Begehung einer Straftat zu hindern. Ein Gefühl oder gewisser Eindruck wird dazu jedoch nicht ausreichen. Laut Adel-Naim Reyhani vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte müssen „strenge Kriterien“ eingehalten werden: „Beispielsweise muss nachgewiesen werden, dass vom Betroffenen eine Gefahr für eine konkrete Tat ausgeht. Zudem lässt sich wohl kaum sachlich rechtfertigen, weshalb ein solcher Eingriff in das Recht auf Freiheit nur Asylwerber treffen soll.“

Ja: Warum nur Asylwerber?

Ja: Warum nur Asylwerber? Sehr viele Morde in den letzten Jahren sind zwar von ausländischen Staatsbürgern begangen worden. Dabei handelte es sich aber auch um Personen aus anderen europäischen Ländern, sehr wahrscheinlich also nicht um Flüchtlinge.

Auf der anderen Seite wäre eine Sicherungshaft auch für Österreicher, wie sie von Ex-SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil gefordert wird, laut dem Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk überhaupt das Letzte: „Das geht gar nicht“, wird er von der Tageszeitung „Österreich“ zitiert: „Man weiß gar nicht mehr, was man dazu sagen soll. So etwas ist charakteristisch für eine Diktatur und mit den Grundlagen unseres Rechtsstaates überhaupt nicht vereinbar.“

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