ANALYSE. Der SPÖ-Vorsitzende hat im Grunde genommen keine Perspektive mehr. Oder doch? Wenn, dann kann er selbst keinen Einfluss mehr darauf nehmen.
Die Nationalratswahl vom 15. Oktober 2017 war ganz offensichtlich nicht der Tief- und damit auch schon Wendepunkt für die SPÖ und ihren Vorsitzenden Christian Kern. Nein, es geht noch weiter runter. Am vergangenen Sonntag wanderte das Bürgermeister-Amt von Salzburg an die ÖVP. Und das ist viel mehr als nur eine Fußnote. Für Kern ist das eine mittlere Katastrophe: Wenn er irgendwo punkten kann, dann in den Städten. Urbane Menschen zieht es am ehesten zu ihm. Dazu braucht er jedoch auch einen Zugang zu ihnen. Und dazu sind vor Ort kampagnenfähige Organisationen und am besten auch Bürgermeister aus den eigenen Reihen nötig.
Salzburg muss Kern vor diesem Hintergrund besonders schmerzen. Doch es dürfte noch schlimmer kommen: Genosse Michael Häupl hat in Wien seine Nachfolge wohl versemmelt. Aus heutiger Sicht kann man jedenfalls davon ausgehen, dass die Bundeshauptstadt keinen Bürgermeister und SPÖ-Vorsitzenden bekommen wird, der auf der Höhe der Zeit dieser Metropole ist, der Jüngere, Mitte-Links-Stehende anzieht und der damit vor allem auch ein Stück weit zur Unterstützung von Kern ein Gegenprogramm zu Schwarz-Blau verkörpern könnte.
Christian Kern bleiben damit für seine Politik im Grunde genommen nur noch seine Accounts in sozialen Medien, ein bisschen Fernsehen und natürlich die parlamentarische Bühne. Viel ist das nicht. Im Gegenteil. Er bräuchte eben eine Bewegung vom Boden- bis zum Neusiedlersee. Doch ohne entscheidende Leute in den größeren Städten bzw. mit parteiinterne Gegenspielern auf dem flachen Land geht das wie gesagt nicht.
Wobei man den Burgenländern rein machttechnisch eines nicht absprechen darf: Im Unterschied zu Kern haben sie eine Perspektive.
Mit letzteren sind, erraten, der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl und sein voraussichtlicher Nachfolger Hans Peter Doskozil gemeint. Sie richten ihre Politik nach dem Wind aus. Ein dritter Weg für die Sozialdemokratie, wie Kern ihn anstrebt, interessiert sie nicht.
Wobei man den Burgenländern rein machttechnisch eines nicht absprechen darf: Im Unterschied zu Kern haben sie eine Perspektive für eine sozialdemokratische Rückkehr an die Macht. Sie würden nicht zögern, sich mit den Freiheitlichen zusammenzutun. So rechts können diese gar nicht stehen. Im Fall des Falles bewegen sie sich überall hin. Mehrheit ist Mehrheit. Und Punkt.
Genau das ist das Drama des Christian Kern: Er kann diesbezüglich keine Alternative anbieten. Rot-Grün-Pink war einmal eine solche. Wenn auch nur eine theoretische. Heute ist es nicht einmal mehr das. Die Grünen sind weg. Bleiben nur Rot-Blau oder Rot-Schwarz (bzw. Blau-Rot oder Schwarz-Rot). Doch eine solche Konstellation tut sich erst dann auf, wenn nicht nur Schwarz-Blau II gescheitert ist, was in Kürze, aber auch erst in vielen Jahren der Fall sein kann. Und wenn man abgesehen davon annimmt, dass für Kern eh nur Rot-Schwarz ginge, müsste sich die Neue Volkspartei überhaupt erst wieder neu aufstellen. Und zwar ohne Sebastian Kurz. Was wiederum nur unterstreicht, wie schlimm die Lage des scheidenden Kanzlers ist.
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