Gekapert

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ANALYSE. In ihrer Not oder aus purer Überheblichkeit heraus versuchen die (noch) größten Landesparteien zunehmend, das gesamte Land zu vereinnahmen, das sie führen. Eine demokratische Zumutung, die von Tirol über Ober- und Niederösterreich bis ins Burgenland reicht.

Die Tiroler Volkspartei sehe sich als Landesunternehmen, wie die Hypo und die TIWAG, so der Blogger Markus Wilhelm auf Twitter. Es mag absurd klingen, wirkt aber wirklich so: Das Logo der Partei weist sehr ähnliche Züge auf wie das der Bank und das des Energieversorgers.

Frei nach Wilhelm gibt sich die Tiroler ÖVP allerdings nicht nur als Landesunternehmen, sondern überhaupt als das Land Tirol aus. Siehe Abbildung unten: Im Detail mögen sich die Logos unterscheiden. Das fällt aber eher nur auf, wenn man ein Auge dafür hat und die beiden nebeneinander stellt. Schon aus einer Entfernung von zwei, drei Metern gleicht sich das aus – könnte man glauben, es handle sich um denselben Farbton und den gleichen Landesadler.

Kleinigkeit? Es steckt Strategie dahinter, die nicht nur in Tirol feststellbar ist. Die größten Landesparteiorganisationen versuchen, sich mit dem Land gleichzusetzen, das sie führen. Das ist eine demokratiepolitische Zumutung, schwingt dabei doch immer auch etwas von einer Einheitspartei mit, neben der keine weiteren Parteien sein sollen.

Die Motive sind unterschiedlich: In Oberösterreich und Niederösterreich entspringt es einer gewissen Not, dass die ÖVP im einen Fall als „Die Oberösterreich-Partei“ und im anderen Fall – noch dazu in den Landesfarben blau-gelb gehalten – als „Die Niederösterreich-Partei“ auftritt. Beide haben ihre besten Zeiten hinter sich. Bei ihnen geht es darum, vergessen zu machen, dass sie „nur“ die Volkspartei sind, die ein erhebliches Imageproblem hat. Die Zuspitzung auf die Landespartei soll zudem suggerieren, dass es unter Führung des Landesvaters oder der -mutter bzw. des Landeshauptmannes Thomas Stelzer (OÖ) oder der -frau Johanna Mikl-Leitner (NÖ) ausschließlich um das Wohlergeben des gesamten Landes geht.

Im Burgenland steckt wiederum pure Überheblichkeit dahinter: Die SPÖ von Landeshauptmann Hans Peter-Doskozil hat im Land wirklich die absolute Macht. Über eine Zusammenführung aller Landesgesellschaften unter das Dach einer Landesholding, in der eine eigene „In house“-Agentur gleich auch die Außendarstellung aller checkt, wird diese Macht auch noch gefestigt.

Diese Partei hätte es nicht notwendig, sich als „Die Burgenland-Partei“ zu bezeichnen. Der Artikel „die“ muss übrigens bei allen „-land-Parteien“ dabei sein. Was zur Frage überleitet, was die anderen Parteien sein sollen? Ist die SPÖ in St. Pölten nicht niederösterreichisch und die ÖVP in Eisenstadt nicht burgenländisch?

Anders formuliert: Wenn Corona-Maßnahmengegner oder sonstige Splittergruppen auf der Straße behaupten, „das Volk“ zu repräsentieren, dann ist offensichtlich, dass es sich um eine unerträgliche Anmaßung handelt. Das Volk ist divers. Es gibt keinen Einheitsstandpunkt und schon gar keine -Politik. Umgekehrt kann selbst eine Partei, die bei Wahlen 40 oder 50 Prozent erreicht hat, nicht so tun, als stünde sie für 100 Prozent. Genau das aber versuchen etwa die SPÖ im Burgenland – oder auch in Wien („Die Wienpartei“, heißt es im Logo, noch dazu zusammengeschrieben) sowie die ÖVP in Oberösterreich, Niederösterreich und auf ihre Weise in Tirol. Sie begreifen sich nicht mehr als das, wofür Partei unter anderem steht: Teil. Sie wollen das Ganze sein.

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