ANALYSE. Ein zweiter Wahltag ist schön und gut. Ganz sicher notwendig wäre aber noch viel mehr.
„Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass SPÖ und ÖVP in zentralen Fragen der Demokratiepolitik nichts Weltbewegendes zustande bringen, dann läge der jetzt in Form des sogenannten Demokratiepakets vor“, schreibt Stefan Kappacher auf seinem Blog. Titel: „Peanuts Packerl“. Ähnlich Moritz Moser auf NZZ.at. Und ehe jetzt der Vorwurf kommt, man könnte natürlich alles schlecht machen, muss man auch an dieser Stelle festhalten: Die Beibehaltung der Briefwahl, die Einführung eines zweiten Wahltages (für alljene, die am Wahltag nicht zur Urne schreiten können) und solche Dinge sind schön und gut. Von einem Demokratiepaket, das Österreich weiterbringen und selbst der Großen Koalition würdig wäre, kann aber nicht die Rede sein. Dazu müssten schon zehn (oder noch mehr) Punkte darin enthalten sein. Zum Beispiel:
- 2007 haben SPÖ und ÖVP den Österreichern ein Stück Wahlrecht weggenommen, indem sie die Dauer der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahren verlängerten. Das gehört wieder rückgängig gemacht. (Was im Übrigen ganz offensichtlich auch im Sinne einiger Koalitionsvertreter wäre, sprechen sie doch schon nach dreieinhalb Jahren wieder von Neuwahlen.)
- Die Auswahl der Nationalratswahlkandidaten ist – vom Standpunkt der Demokratie aus gesehen – unterentwickelt. In der Praxis entscheiden zu oft noch Landesparteivorstände oder gar –chefs (bzw. Landeshauptleute), wer ins Hohe Haus kommt. Das schafft Abhängigkeitsverhältnisse, womit Volksvertreter keine Volksvertreter im Sinne des Wortes sein können. Ausweg: eine Stärkung des Persönlichkeitswahlrechtes.
- Regierungsmitglieder sollten sich (wie in den USA) vor ihrer Bestellung einem öffentlichen Hearing durch die Abgeordneten unterziehen müssen. Im Übrigen ist ihre Bestätigung durch diese anzudenken (derzeit ist ihnen ja quasi nur eine Absetzung von Ministern über ein Misstrauensvotum möglich).
- Der Nationalrat ist – über die Mehrheitsfraktionen – zu oft nur Vollzugsorgan der Regierung. Das liegt nicht nur am Selbstverständnis, sondern auch an den Möglichkeiten: Die Legislative ist gegenüber der Exekutive ziemlich unterentwickelt. Versuche, das zu ändern, gab es in der Vergangenheit zwar zum Beispiel durch den Aufbau eines eigenen Budgetdienstes im Parlament; auf Augenhöhe mit den Vertretern des Finanzministeriums hat er die Abgeordneten aber nie und nimmer bringen können. Nötig wäre darüber hinaus insbesondere die Stärkung ihrer Interpellationsmöglichkeiten.
- Der Rechnungshof stößt seit Jahren mit seiner Forderung auf taube Ohren, sämtliche Kommunen überprüfen zu dürfen. Diese Möglichkeit muss er bekommen.
- Transparenz in öffentlichen Angelegenheiten ist in Österreich nach wie vor eingeschränkt. Siehe „Transparenzdatenbank“, die nicht von allen Gebietskörperschaften mit Informationen über Förderungen und andere Geldflüsse befüllt wird. Zum Teil geheim und damit nicht nachvollziehbar geblieben ist auch die Parteienfinanzierung.
- Das Amtsgeheimnis gehört abgeschafft und durch eine echte Informationsfreiheit ersetzt. Das würde die Medien und Zivilgesellschaft stärken.
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- Auch die öffentliche Medienfinanzierung gehört reformiert: Dass einer geradezu lächerlichen Presseförderung ein viel größeres Inseratenvolumen vor allem von Ministerien gegenübersteht, ist einer Demokratie nicht würdig; es untergräbt die „vierte Gewalt“.
- Ein Demokratiepaket muss auch die Länder einbeziehen. In Landtagen, wie besonders dem niederösterreichischen, sind Oppositionsrechte zu schwach.
- Die „Realverfassung“ gehört abgeschafft. Beispiel: Entweder gibt die LH-Konferenz ihre Funktion als entscheidende Ländervertretung an den dazu vorgesehenen Bundesrat ab oder sie ersetzt diesen ganz.