Auch Medien spüren’s nicht

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ANALYSE. Wie entscheidende Teile der Politik pfeifen ebensolche der vierten Gewalt auf Korruptionsbekämpfung und eine Neuordnung der Verhältnisse. Siehe die Gefährdung des „profil“.

Türkise Korruptionsaffären haben Bundespräsident Alexander Van der Bellen dazu motiviert, eine Generalsanierung der Republik zu fordern. Angesprochen fühlen sollten sich nicht nur Politiker, die in Regierungsverantwortung stehen. Sondern auch Medien: Immerhin sind sie Teil von Inseratengeschäften, die im Falle der Tageszeitung „Österreich“ sogar Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen sind (Stichwort Umfragen und Werbeschaltungen). Und immerhin haben Chats auch schon zu zwei Abgängen in ihren Reihen geführt (von Rainer Nowak bei der „Presse“ und Matthias Schromm beim ORF).

Man könnte glauben, dass das mehr als genug ist. Dass gerade bei Medien, bei denen Glaubwürdigkeit am Ende des Tages das höchste Gut ist, das Interesse besonders groß ist, auf saubere Verhältnisse zu drängen oder dafür zu sorgen, soweit es möglich ist. Doch weit gefehlt.

Das Nachrichtenmagazin „profil“ bekommt einen neuen Geschäftsführer: Der stellvertretende Chefredakteur der Tageszeitung „Kurier“, Richard Grasl, wird diese Funktion künftig quasi nebenbei ausüben. Dass sich die „profil“-Redaktion gezwungen sieht, ihre „unantastbare journalistische Unabhängigkeit“ zu betonen, ist beschämend für die Branche und kommt nicht irgendwoher.

Der Verlag, der den „Kurier“ und das „profil“ betreibt, gehört mehrheitlich zur Raiffeisen-Gruppe. Allein schon, um vorsorglich jedem Verdacht entgegenzutreten, dass sie mit parteipolitischer Schlagseite und zu entsprechender Landschaftspflege unterwegs sein könnte, wäre es naheliegend, dass sie besonders hohe Maßstäbe pflegt: Dass sie nicht ein Mitglied der einen Redaktion die Geschäfte der anderen führen lässt. Dass sie das schon gar nicht einen Mann wie Richard Grasl machen lässt und erst recht nicht beim „profil“, das von seiner Geschichte her zu den Aushängeschildern der vierten Gewalt, also einer natürlichen Gegenspielerin der Politik, gehört.

Grasl wird in seiner Doppelrolle ständig mit Interessenskonflikten konfrontiert sein. Vor allem aber ist er politisch punziert. Man muss es so brutal sagen: In Österreich ist es leider grundsätzlich so, dass man zum Beispiel nur dann überhaupt eine Chance hat, ORF-Generaldirektor zu werden, wenn man sich mit einer größeren Partei arrangiert und halt durchaus auch für das eine oder andere einspannen lässt. Es ist traurig, aber wahr. Rufe nach einer Änderung wurden vor wenigen Wochen von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) mit der seltsamen Begründung zurückgewiesen, dass dazu nichts vorgesehen sei im Regierungsprogramm (in dem auch keine Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie, Preissteigerungen und vieles andere mehr enthalten sind, die dann aber trotzdem gesetzt wurden).

Richard Grasl war ORF-Generaldirektor-Kandidat 2016. ÖVP und FPÖ machten sich stark für ihn. Überraschend setzte sich Alexander Wrabetz unter anderem mit SPÖ-Unterstützung noch einmal durch. Das fraktionsfreie Mitglied des entscheidenden Stiftungsrates, Ex-Caritas-Präsident Franz Küberl, berichtete im Nachhinein, er habe „selten so viel Druck erlebt, von beiden Seiten, ÖVP und SPÖ“, offenbar Grasl oder Wrabetz zu wählen. Schlussendlich enthielt er sich der Stimme.

Wie zu Nowak und Schromm gibt es auch einschlägige Chats mit Grasl: Vor acht Jahren sorgte er dafür, dass der seinerzeitige ÖVP-Chef Finanzminister Michael Spindelegger „mit schönen Bildern in der ZiB 1 vorkommt. Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, hatte beim ORF interveniert. „Alles geklappt. ZiB 1 und Foto schon beim Kurier“, meldete Grasl, der offenbar auch damals schon gute Beziehungen zu seinem heutigen Arbeitgeber hatte“, wie der „Falter“ notiert.

Soll der Niederösterreicher deswegen mit einem lebenslänglichen Berufsverbot belegt werden? Nein. Es geht um die Doppelrolle und dass kein ausschließlicher Medienmarktexperte zum Geschäftsführer des „profil“ gemacht wird. So problematisch es in seinem Falle ist, wäre es auch, wenn Wrabetz oder Roland Weißmann, der amtierende ORF-Generaldirektor, an seiner Stelle stehen würden.

Das kann man übertrieben finden. Man sollte jedoch nie die nötige Generalsanierung vergessen und das Erfordernis, mühsam wieder verloren gegangenes Vertrauen in die vierte Gewalt zurückzugewinnen. Dann kann man eher nicht zu streng sein.

Dasselbe gilt für Inseratenkorruption: Es lässt tief blicken, dass es, wenn schon Leute wie Raab kein Problembewusstsein an den Tag legen, zu keinem Medienaufstand kommt. Ein paar Medien mögen von willkürlich vergebenen Inseraten profitieren. Weil man mittlerweile jedoch weiß, dass das Ausmaß auch von wohlwollender Berichterstattung abhängen kann, beschädigen bei alledem gerade die ihren Ruf, die am meisten bekommen.

Von ÖVP und Grünen geplante Transparentbestimmen werden nichts ändern, wie der Medienwissenschaftler Josef Trappel betont. Wichtig wären Obergrenzen, meint er. Ideal wäre jedoch eine Umschichtung: Regierungsinserate gehören auf ein international übliches Maß zurückgefahren – und stattdessen gehört die allgemeine Medienförderung, die nach objektiven Kriterien vergeben wird, vervielfacht.

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