Raab ist nicht Frauenministerin

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ANALYSE. Auch Gewalt, die von Männern ausgeht, wird von ihr eher nur als Integrationsministerin betrachtet. Das ist politisch durchschaubar, trägt jedoch bei weitem nicht zur Lösung des gesamten Problems bei.

Wenn die jüngsten Frauenmorde Konsequenzen haben, dann wird zum Beispiel Gewaltschutz ausgebaut. Das dient den Opfern – und ist gut so. Eher nicht absehbar ist eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage, welche Umstände zu dieser Häufung führen, wo frühzeitig angesetzt werden könnte. Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) hat im Ö1-Morgenjournal vom 4. Mai angekündigt, konkrete Fälle der vergangenen Jahre zu studieren. Wobei sie ihren grundsätzlichen Fokus verriet: „Gibt es etwa patriarchale Ehrkulturen, die unseren Wertvorstellungen widersprechen, die wir nicht in Österreich haben wollen?“

Hier hat die Integrationsministerin gesprochen, die im Sinne ihrer Partei problematisiert, was fremd ist. Damit bleibt vieles unbeleuchtet, was passieren kann, weil es von einem größeren Teil der Gesellschaft und eben auch der Politik ausgeklammert bzw. geduldet wird. Gewalt gegen Frauen geht nicht nur von Männern mit Migrationshintergrund oder ausländischer Staatsbürgerschaft aus.

Das belegen harte Fakten. In Deutschland etwa erstellt das Bundeskriminalamt jährlich einen eigenen Bericht unter dem Titel „Partnerschaftsgewalt“. Auch im Nachbarland gibt es eine Zunahme der Delikte. Abgesehen davon, dass der Bericht dokumentiert, dass die größte Gefahr für Frauen von Ex-Partnern ausgeht, ist bemerkenswert, dass er aus zwei Teilen besteht: einem eigenen Opfer- und einem eigenen Täterteil. Der Anteil deutscher Staatsbürgerinnen bzw. -bürger überwiegt in beiden Fällen mit 70,5 bzw. 66,1 Prozent (2019). Sprich: Zumindest zwei Drittel des Problems würde man ausklammern, wenn man sich nur auf Ausländerinnen und Ausländer beschränken würde – auch wenn die Prozentsätze bei ihnen im Vergleich zum Bevölkerungsanteil sehr hoch sind. Sie gehören auch, aber eben bei weitem nicht nur in den Fokus.

Patriarchale Strukturen, die sehr unterschiedliche Formen direkter oder indirekter Gewalt(-andeutungen) enthalten können, sind weit verbreitet. Auch in der ÖVP von Susanne Raab: Im vergangenen Nationalratswahlkampf sagte Klubobmann August Wöginger, es könne nicht sein, dass „unsere Kinder“ nach Wien fahren und als Grüne zurückkommen: „Wer in unserem Hause schlaft und isst, hat auch die Volkspartei zu wählen.“ Das klingt alternativlos bzw. nach einer harten Sanktion für den Fall des Falles; einem Rauswurf etwa. Vor einigen Monaten fand Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol wiederum, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner habe mit ihrer Regierungskritik „danach gerufen, ihr eine aufzulegen“. Immerhin: Dass diese Aussage inakzeptabel war, gestand er nach unzähligen Hinweisen darauf wenig später selbst und kündigte an, sich bei der Vorsitzenden zu entschuldigen.

Bei diesen Beispielen zeigt sich der „strenge Vater“, wie ihn der Sprachforscher George Lakoff zur Beschreibung von zwei gegensätzlichen Typen definiert, die die politische Auseinandersetzung prägen würden: Der „strenge Vater“ ist demnach autoritär und duldet andere Vorstellungen nicht in seiner Umgebung. Ihm gegenüber stehen die „fürsorglichen Eltern“, die ihre Kinder gewaltfrei bis hin zur Sprache erziehen und als selbstbestimmte Wesen betrachten.

Vor diesem Hintergrund müsste eine Frauenministerin, die das Problem Männergewalt wirklich angehen möchte, nicht nur ihren Fokus weit über „Integration“ hinaus ausweiten; sie müsste Gewalt, die wie einst die „g’sunde Watschen“ gar nicht als solche wahrgenommen wird, genauso thematisieren wie „unsere Wertvorstellungen“, Erziehung zu Hause, Möglichkeiten in der Elementarpädagogik, in der Schule etc.

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