BERICHT. Nach einem Jahr erklärt nun auch die Regierung, dass die Inzidenz bestätigter Infektionen nicht alleinentscheidend ist.
Die österreichische Bundesregierung hat’s relativ einfach, alte Hüte als neue unter die Leute zu bringen: Der Ankündigung, dass in der Pandemie nicht mehr die 7-Tage-Inzidenz bestätigter Infektionen entscheidendes Kriterium sein soll, sondern die Auslastung der Spitäler, schaffte es da und dort in die Schlagzeilen.
Das ist bemerkenswert. In Bezug auf die 7-Tage-Inzidenz ist die Politik immer vage geblieben. Im Unterschied zur deutschen hat sie etwa nie festgelegt, dass zum Beispiel ab einem Wert von 50 automatisch weitreichende Beschränkungen wirksam werden. Im Gegenteil.
Die Politik hat sich immer einen erheblichen Spielraum gelassen. Das hatte Vor- und Nachteile. Zu den Nachteilen zählt, dass es unter anderem Unternehmen, aber auch Bürgern die Planbarkeit erschwerte: Man wusste nie, was wann kommen könnte. Zu den Vorteilen zählt, dass sich die Lage nie auf die Inzidenz reduzieren ließ.
Zu Beginn der Pandemie war die Aussagekraft der Inzidenz insofern relativ, als wenig getestet wurde und es daher eine höhere Dunkelziffer gegeben haben dürfte. Heute wird zwar mehr, aber mit unterschiedlicher Qualität getestet; PCR-Tests sind eher nur in Wien die Regel, aber auch dort bei weitem nicht für alle Menschen. Relativiert wird die Inzidenz andererseits durch Impfungen: Wer geschützt ist, wird eher weniger schwer erkranken; wenn überhaupt.
Doch was soll’s: Seit dem ersten Tag der Pandemie zählt die Spitalsauslastung ohnehin viel mehr: Lockdowns wurden verhängt, weil ein bedrohlicher Anstieg bei den Intensivpatienten vorlag. Ob auf Bundesebene oder zu Ostern in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland.
Die Inzidenz ist in Verbindung mit einer brauchbaren Teststrategie ein wertvoller Frühindikator. Wie es andere Faktoren auch sind. Die Ampelkommission, die von der Regierung seit ihrem Start vor einem Jahr ignoriert wird, trägt dem schon ebenso lange Rechnung: Bei ihren Bewertungskriterien geht sie von einem Verbreitungs- und einem Systemrisiko aus. Dabei geht es genau darum: „Sicherstellung von ausreichenden Versorgungskapazitäten (insbesondere Betten und Personalkapazitäten auf Intensiv- und Normalstationen) zur Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten unter Gewährleistung der Regelversorgung für die allgemeine Bevölkerung.“
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