BERICHT. Geplante Gesetzesänderungen lassen Schlimmes befürchten: Wieder war der Minister schlecht beraten, wieder droht größtmögliche Rechtsunsicherheit. Immerhin: Korrekturen sind noch möglich.
Natürlich ist es schier unmöglich, einen gesetzlichen Rahmen zur Bewältigung einer Pandemie zu schaffen; sofern man es nicht so genau nimmt, kann man damit eigentlich nur scheitern. Umso bemerkenswerter ist, dass Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gerade wieder einen Anlauf nimmt, ohne sich offensichtlich abzusichern. Schwer zu glauben jedenfalls, dass der vorliegende Begutachtungsentwurf für eine Änderung des Epidemiegesetzes und des COVID-19-Maßnahmengesetzes vorab etwa vom Verfassungsdienst des Kanzleramts abgeklopft worden ist. Wenn das der Fall war, dann könnte das eher nur von bösem Blut in der türkis-grünen Koalition zeugen.
Die Qualität des Entwurfs lässt ganz offensichtlich zu wünschen übrig. Erste Stellungnahmen lassen darauf schließen. Das Land Niederösterreich ortet zahlreiche Unzulänglichkeiten. Beispiele: „Es ist unklar, ob (…) eine Verpflichtung für Betriebe etc. geschaffen werden soll, ab Inkrafttreten des Gesetzes Kontaktdaten von Gästen, Besuchern, Kunden und Mitarbeitern in allen Fällen zu erheben. Insbesondere könnte auch in den Erläuterungen das Wort „Betriebe“ genauer definiert werden.“ Oder: „Die Erläuterungen gehen davon aus, dass die beabsichtigte Bestimmung Betretungen vor Ort durch die Gesundheitsbehörde ermöglicht. Dies kommt aber im Gesetzestext nicht eindeutig zum Ausdruck.“ Oder: „Es stellt sich die Frage, was unter einer „weniger strengen“ Verordnung zu verstehen ist. Damit in der Vollziehung keine Auslegungsschwierigkeiten entstehen, sollte eine Klarstellung erfolgen.“
Besonders schwerwiegend ist die Absicht, beim Auftreten von COVID-19 per Verordnung ein Betretungsverbot für „bestimmte Orte“ oder „öffentliche Orte in ihrer Gesamtheit“ zu ermöglichen. Das Land Niederösterreich schreibt dazu: „Dadurch könnte der Eindruck entstehen, dass die Z 1 („bestimmte Orte“) auch den Privatbereich erfasst und somit durch Verordnung auch das Betreten von privaten Orten geregelt werden könnte.“ Das würde an den berüchtigten Ostererlass erinnern; er kam nie, ließ jedoch Befürchtungen wach werden, es solle geregelt werden, wie Ostern in den eigenen vier Wänden gefeiert werden darf (bzw. wie nicht).
Viel direkter als Niederösterreich ist die Österreich-Sektion von „Transparency International“ in der Interpretation eines möglichen Betretungsverbots „bestimmter Orte“. „Es scheint überschießend und von Verfassungswidrigkeit bedroht, durch Verordnung das Betreten jedweder privater Orte (Wohnungen) verbieten zu können. Daher sollte die Verordnungsermächtigung nur für öffentliche Orte gelten. Sofern es notwendig scheint, könnten private Veranstaltungs- und Versammlungsstätten ergänzt werden.“
Immerhin: Was vorliegt, ist ein Begutachtungsentwurf. Stellungnahmen können berücksichtigt, Korrekturen noch vorgenommen werden, ehe eine Regierungsvorlage, ein Parlamentsbeschluss und letzten Endes ein kundgemachtes Gesetz daraus wird.
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