BERICHT. Immer mehr Schülerinnen und Schüler weisen psychische Beschwerden auf. Damit gerät auch das Schulsystem an seine Grenzen.
Die Mehrheit der jungen Menschen habe nicht den Eindruck, dass ihre Sorgen von Gesellschaft und Politik ernst genommen werden, heißt es in einem Bericht, den die „Gesundheit Österreich GmbH“ erstellt hat und den das Gesundheitsministerium vor zwei Jahren veröffentlicht hat. Die Aussage basiert auf einer europaweiten Befragung der Weltgesundheitsorganisation WHO und einem Forscher:innenetzwerk zu Gesundheit und Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen im Schulalter („Health Behaviour in School-aged Children Study“, kurz HBSC-Studie).
Vielleicht würde das Urteil der jungen Menschen dieser Tage anders ausfallen. Seit dem Amoklauf in Graz stehen sie auf der politischen Agenda weit oben. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) hat gerade eine „massive Aufstockung der schulpsychologischen Betreuung“ angekündigt. Sie solle nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel werden an Schulen, bekräftige er in einer Erklärung vor dem Nationalrat. „Unsere Sicherheit beginnt mit guter psychologischer Gesundheit“, unterstrich Außenministerin Beamte Meinl-Reisinger (Neos).
In Wirklichkeit wäre schon viel erreicht, wenn sich die Verhältnisse nicht weiter verschlechtern würden. Das wäre zumindest ein erster, wichtiger Schritt: „Zahlreiche Studien“ würden zeigen, dass die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren gelitten habe, heißt es in einer Österreich-Zusammenfassung zur jüngsten HBSC-Befragungswelle, die 2021/22 durchgeführt worden ist. Dazu mag einem gleich einmal „Corona“ einfallen, die Verschlechterung hat aber schon viel früher angefangen.
Das soll eine Auswertung für Österreich zum Ausdruck bringen, die dieSubstanz.at mit Hilfe der HBSC-Datenbank durchgeführt hat. Und zwar für 15-jährige Schülerinnen und Schüler hierzulande: Bei den Schülerinnen ist der Anteil derer, die sich öfter als ein Mal pro Woche nervös fühlen, von 13 Prozent 2014 auf 24 Prozent 2018 und schließlich 38 Prozent 2022 geklettert. Mehr als verdoppelt hat sich auch der Anteil derer, die sich niedergeschlagen und/oder gereizt fühlen.
Bei Schülern sind die Anteile durchwegs niedriger, aber auch bei ihnen sind sie stark gestiegen. Alles in allem haben sie sich in den acht Jahren verdoppelt: Nervös fühlten sich zuletzt 17 Prozent, niedergeschlagen 14 Prozent und gereizt 27 Prozent.
Und so weiter und so fort: Gut ein Viertel hatte 2022 mehr als einmal in der Woche Schwierigkeiten, einzuschlafen. Bei den Schülerinnen handelte es sich um 27, bei den Schülern um 24 Prozent.
Daher die Feststellung, dass schon viel erreicht wäre, wenn diese Trends, die auch in anderen Staaten laufen, zunächst einmal gestoppt werden könnten. Wobei: Zumindest so wichtig wie die Ausweitung schulpsychologischer Angebote erscheinen unter anderen Ursachenbekämpfung sowie Maßnahmen zur Unterstützung von Lehrern, die immer auch mit Problemen ihrer Schüler konfrontiert sind und sie mit an ihre Grenzen bringen.