Wofür das Kopftuchverbot steht

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ANALYSE. Es geht nicht nur um die Maßnahme, sondern vor allem auch das Motiv. Es verleiht dem Ganzen etwas Bedrohliches.

„Der Zustand einer Demokratie zeigt sich auch daran, wie sie mit Minderheiten umgeht.“ Das ist einer der Kernsätze des Evangelischen Oberkirchenrates zum geplanten Kopftuchverbot für unter 15-jährige Schülerinnen. Bischof Michael Chalupka und Eva Lahnsteiner alarmiert vor allem auch, dass hier nicht im Dialog mit Betroffenen agiert wird. Das hat was: Kaum vorstellbar, dass es ein solches Verbot auch geben würde, wenn es sich gegen Christinnen richten würde. Das Kopftuch würde dann vielleicht als Ausdruck abendländischer Kultur dargestellt werden, die „uns“ ausmache und daher sein müsse.

Es gibt sehr unterschiedliche Motive für das Kopftuchverbot. Vielen Sozialdemokraten und Neos kann abgenommen werden, dass es ihnen vor allem um die Kinder geht. Die Integrationsexpertin Emina Saric zitiert in diesem Sinne Erwin Ringel: „Jede religiöse Erziehung sollte ein Angebot sein und kein Aufzwingen.“ Jeder Mensch soll laut Saric die Möglichkeit haben, im Laufe des Lebens zu einer eigenen Ansicht zu kommen. Ein Verbot bis 14 könne deshalb als Schutzmaßnahme verstanden werden, um Mädchen Zeit für eine selbstbewusste, informierte Entscheidung zu geben.

Das klingt sehr gut, zeugt von einem aufgeklärten Geist. Bei Türkisen wie Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) geht es jedoch nicht darum, sondern um ein Signal gegen den Islam, ja „radikalen Islam“, wie sie sagt, der „bei uns keinen Platz“ habe. Weshalb das Verbot „genau richtig“ sei.

Niemand will radikalen Islam, das Kopftuch damit gleichzusetzen ist jedoch entlarvend. Sei’s drum, es komme auf die Maßnahme an? Vorsicht: Wie bei der Aussetzung des Familiennachzugs für Asylberechtigte sind Motiv und Ziel auch hier wichtig.

In jenem Fall ging es ebenfalls darum, Freiheitlichen Wind aus den Segeln zu nehmen und wurde in Kauf genommen, dass dafür ein Notstand behauptet werden muss. Das ist doppelt gefährlich: Wenn es so weitergeht, wird man sich gezwungen sehen, Freiheitlichen noch öfter Wind aus den Segeln zu nehmen, doch die Ausrufung eines Notstandes sollte in einem demokratischen Rechtsstaat nur ein Äußerstes sein. Insofern droht das Ganze letzten Endes ein Tabu- und ein Dammbruch gleichermaßen zu werden, sind noch viele behauptete Notstände zu befürchten, durch die man sich über Recht hinwegsetzt.

Ein Kopftuchverbot bis 14, das in Wirklichkeit nicht als Schutzmaßnahme gedacht ist, um Mädchen Zeit für eine selbstbewusste, informierte Entscheidung zu geben, sondern das vor allem dazu dient, gegen Menschen vorzugehen, die einer Minderheit angehören, anders sind und die man nicht haben mag, ist kaum weniger gefährlich.

Es entspricht im Grunde genommen so vielem, was insbesondere von der FPÖ gefordert und zum Teil auch von der ÖVP mitgetragen wird. Auch wenn Gegenteiliges behauptet wird: Es bewegt sich auf dem gleichen Niveau wie die niederösterreichische Vorstellung, dass man Fremdsprachen auf Schulplätzen verbieten und in Restaurants für österreichische Gastronomie sorgen soll. Dass man Martini und Nikolaus zu nationalen Festtagen erklären soll und so weiter und so fort. Dass das Kopftuch ein Zeichen der Unterdrückung sei, ist bei diesem Zugang jedenfalls nur ein Vorwand, der überzeugend wirkt und zu dem daher gerne gegriffen wird.

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