Volkskultur, die er gerne hätte

-

ANALYSE. FPÖ-Landeshauptmann Kunasek versucht im Zusammenhang mit dem Festival „Aufsteirern“ genau das, was er vorgibt, verhindern zu wollen. Er missbraucht es für politische Zwecke.

Es passt zusammen. Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger hat ein Buch geschrieben. Titel: „Migrationspanik. Wie Abschottungspolitik die autoritäre Wende befördert“ (Picus-Verlag). Die „Presse“ hat hier darüber berichtet.

Zwei Passagen erscheinen ganz besonders erwähnenswert. In dem einen wird eine Vermutung bestätigt: Dass rechtspopulistische Akzente gegen Geflüchtete in Wirklichkeit gegen alle Menschen mit Migrationsgeschichte gerichtet sind. Dass etwa die schwarz-blaue Ankündigung in Niederösterreich, für Deutschpflicht auf Schulhöfen (in Pausen!) zu sorgen, gerade auch abstoßend gegenüber hochqualifizierten Fachkräften wirkt, die erwägen, mit ihrer Familie ins Land zu ziehen. Grund: Es wird ihnen signalisiert, dass ihre Sprache unerwünscht ist.

Im „Presse“-Artikel heißt es dazu: „Es sei nicht möglich, gleichzeitig erwünschte Migranten (vulgo Fachkräfte) anzuziehen und unerwünschte (nicht ausgebildete) abzuschrecken. Internationale Studien würden zeigen, dass „Ressentiments gegen eine bestimmte Gruppe von Ausländern auch von jenen gehört werden, die vielleicht gar nicht gemeint waren“. Und die deswegen – obwohl willkommen – nicht kommen wollen.“

Die zweite Passage führt zum Thema „Volkskultur, die er gerne hätte“ heran: Kohlenberger stellt laut „Presse“ zwei diametrale „Angsterzählungen“ gegenüber: „Die „klassische“, die da lautet: Die Fremden werden nie so wie wir. Und eine zweite, die fragt: Was, wenn „die“ so werden wie „wir“? Wenn syrische Flüchtlinge akzentfrei Deutsch lernen, gute Arbeit finden, Staatsbürger werden – wer sind „wir“ dann noch? Beide Erzählungen seien mächtig, schreibt sie: „Die Sorge vor dem drohenden Identitätsverlust ist die größte Angst der autoritären Kräfte – und zugleich ihre stärkste Waffe.“

Der steierische FPÖ-Landeshauptmann Mario Kunasek glaubt, die Identität zu stärken, wenn er die Landeshymne, in der Teile Sloweniens besungen werden, gesetzlich schützt. Er meint, einen Beitrag zu leisten, wenn er für ein Kopftuchtuchverbot im Landesdienst sorgt und Gendern in Gesetzen verbietet.

Er gibt vor, Gutes zu tun, wenn er sich jetzt auch um das an diesem Wochenende stattfindende Volkskulturfestival „Aufsteirern“ kümmert. Er definiert es folgendermaßen: Es sei „ein volkskulturelles Fest, das Brauchtum, Tradition, Tracht und Kulinarik verbindet und damit ein Aushängeschild steirischer Lebensfreude“ sei.

Für Anderes ist da kein Platz. Vorübergehend hieß es sogar, ein „Hüttengaudi“-Stand der LGBTIQ-Interessenvertretung Rosa Lila PantherInnen dürfe nicht betrieben werden. Auf Facebook tat Kunasek in einem Beitrag ausdrücklich so, als wäre durch diesen Stand das Gelingen des Festivals „gefährdet“ worden.

Die Aufregung war groß, der Stand darf daher nun doch betrieben werden. Aber, so Kunasek: „Es wird keinen „queeren“ Aktionismus und keine „queere Hütte“ beim Aufsteirern geben! Dadurch wird eine Teilnahme der RosaLila PantherInnen in einem klar geregelten Rahmen ermöglicht. Die Veranstaltung darf nicht als Bühne politischer Provokationen dienen, sondern soll das bleiben, was sie immer war: ein Fest unserer steirischen Volkskultur.“ Nachsatz: „Unser Anspruch war und ist es, sicherzustellen, dass dieses Fest nicht für ideologische Zwecke missbraucht wird.“

Eine gefährliche Drohung. Ohne dieses Festival zu kennen: Die Steiermark im Allgemeinen und Graz im Besonderen stand und steht zum Teil noch dafür, Bestehendes aufzubrechen und Neues zu wagen. Dafür steht nicht nur die kommunistische Bürgermeisterin der Landeshauptstadt, sondern auch der „Steirische Herbst“ oder ein nicht mehr existierender ÖVP-Flügel, der am ehesten mit Erhard Buseks „Bunten Vögeln“ in Wien vergleichbar ist. Und jetzt tritt hier ein Landeshauptmann an, das Rad der Zeit in die 1950er oder frühen 1960er Jahre zurückzudrehen.

Beim „Aufsteirern“ jedenfalls scheint die Sache bei weitem nicht so schlicht zu sein, wie es Kunasek vermittelt, also gerne hätte, auf seiner Facebook-Seite bebildert mit einem Steirerhut. Von wegen ausschließlich Volkskultur, Brauchtum, Tradition und Tracht. Zur Philosophie heißt es auf der Website: „Aufsteirern bürgt für Authentizität, Tradition und Ursprünglichkeit der dargebrachten Inhalte kombiniert mit zeitgemäßem technischem Know-How.“ Auf Kitsch, Plastik und allgemeine Kirchtagsprodukte werde bewusst verzichtet. Am Eröffnungskonzert an diesem Wochenende sind die Grazer Philharmoniker beteiligt. Im Übrigen sind „The Flying Pickets“ angesagt, trägt Marinne Mendt etwa zu einem Treffen von Jazz und steirischem Gstanzl bei.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner