Verroht

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ANALYSE. Ob Mietbeihilfe für Inhaftierte oder das Schicksal eines Mannes, der nach Syrien abgeschoben worden ist: Der Umgang damit lässt tief blicken.

Die „Kronen Zeitung“ springt gerne auf und schreibt, dass „nach den 9000 Euro Mindestsicherung und Familienbeihilfe für eine syrische Großfamilie“ ein ganz anderer „Fall in Wien wieder für Empörung beim Steuerzahler“ sorge. FPÖ-Stadtchef Dominik Nepp nimmt ihn gar zum Anlass, den Rücktritt von Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) zu fordern: Für 31 Inhaftierte hat die Kommune offenbar Mietbeihilfe in Höhe von insgesamt rund 54.000 Euro gewährt im vergangenen Jahr.

Dazu gibt es auch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes: Von einem Mann, der eine Freiheitsstrafe von wenigen Monaten zu verbüßen hatte, forderte die Stadt eine für diese Zeit ausbezahlte Mindestsicherung zurück, er war jedoch der Meinung, dass ihm zumindest die Mietbeihilfe zusteht – womit er Recht bekommen hat.

Zumal es im Wiener Mindestsicherungsgesetz (sinngemäß) heißt: Wenn – zum Beispiel eben bei einem Häftling – in absehbarer Zeit wieder ein Wohnbedarf besteht und die Erhaltung einer vorhandenen Wohnmöglichkeit wirtschaftlich sinnvoll erscheint, ist die Beihilfe weiter zu gewähren.

Wo „Krone“ und FPÖ das Problem sehen, erschließt sich nicht. Beziehungsweise: Es zeugt von einer Verrohung. Würde jemandem wie dem Beschwerdeführer, der dreieinhalb Monate abzusitzen hatte, keine Mietbeihilfe gewährt werden, er würde mit größerer Wahrscheinlichkeit doppelt bestraft werden. Zur Freiheitsstrafe würde hinzukommen, dass er hinterher wohl ohne Wohnung dastehen würde. Womit man ihm – auch zum Nachteil der gesamten Gesellschaft – einen Neustart erschweren würde. Es wäre böswillig und kurzsichtig, um es vorsichtig zu formulieren.

Eine Verrohung lässt auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erkennen: Im Ö1-Morgenjournal vom 11. Juli hat er erklärt, im Sinne eines „strengen“ und „harten“ Asylsystems sei es „notwendig“, Straftäter und Gefährder nach Syrien abzuschieben; nur so sei man glaubwürdig.

Betont hat der Niederösterreicher das im Zusammenhang mit dem Fall eines nach Syrien abgeschobenen Mannes, dessen Schicksal unklar ist. Der UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen von Menschen hat Österreich offiziell dazu aufgefordert, Ermittlungen zu seinem Verbleib einzuleiten. Das sei „abgehoben und weltfremd“, antwortet Karner. Er könnte auch sagen: Wendet euch ans Salzamt.

Es ist natürlich schwer bis unmöglich, in einem Land wie Syrien derartige Ermittlungen durchzuführen. „Syrien ist auch unter dem neuen Regime alles andere als ein Rechtsstaat“, sagte der auf Nahost spezialisierte Politikwissenschafter Thomas Schmidinger unlängst ebenfalls in einem Ö1-Morgenjournal. „Syrien ist gekennzeichnet von systematischer Gewalt“, sagt Amnesty International.

Dass ausgerechnet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung des Mannes zustimmte, der hierzulande 2018 wegen Beteiligung an der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu sieben Jahren Haft verurteilt worden ist und diese Strafe abgesessen hat, zeigt allenfalls, wie falsch die Kritik am Gerichtshof ist, wonach er derartige Abschiebungen zu oft blockiere: In Wirklichkeit kann nicht garantiert werden, dass der 32-Jährige in Syrien nicht neuerlich (zu Unrecht) in Haft genommen worden ist; kann nicht garantiert werden, dass er korrekt behandelt, also weder gefoltert wird noch unmenschlich oder erniedrigend mit ihm umgegangen wird.

Was der Aussage des Innenministers, dass Abschiebungen nach Syrien einfach notwendig seien und das Schicksal der Betroffenen nicht in der Verantwortung Österreichs liegt, einen so bitteren Beigeschmack verleiht: Hier sind Menschenrechte, die auch Straftätern und Gefärdern zustehen, egal geworden..

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