BERICHT. Im Jahresvergleich ist die Zahl der Bezieherinnen und Bezieher in Wien um sechs Prozent gestiegen.
In einer Großstadt kommt viel zusammen. Unter anderem auch sehr viel Armut. Das zeigt ein Blick auf Daten zur sozialen Lage, die von der Statistik Austria Ende des vergangenen Jahres durch eine Befragung erhoben wurden. In Wien gaben 38,8 Prozent an, unerwartete Ausgaben von 1300 Euro nur mit einem Kredit oder durch Ratenzahlungen bewältigen zu können. Bundesweit waren es 25,9 Prozent. Das bedeutet, dass Betroffene praktisch keine Reserven haben und von der Hand im Mund leben.
Größer als im Bundesschnitt ist in Wien auch der Anteil derer, die sich keinen einwöchigen Urlaub pro Jahr leisten können (31,2 Prozent) oder bei denen auch keine regelmäßigen Freizeitaktivitäten möglich sind, die Geld kosten. Extrem außerdem: 13,5 Prozent erklären, ihre Wohnung nicht angemessen warm halten zu können, 8,4 Prozent, sich nicht zumindest jeden zweiten Tag ein Hauptgericht leisten zu können. Das ist immerhin jede zwölfte Person.
Die Befragungsergebnisse bringen nicht überprüfbare Aussagen und subjektive Wahrnehmungen zum Ausdruck. Ein Hinweis darauf, dass es in Wien wirklich mehr absolute Armut gibt, ist die Zahl der Mindestsicherungsbezieher:innen. Sie ist auch gemessen an der Bevölkerung sehr hoch. Genauer: Gut zwei Drittel aller Bezieher:innen vom Boden- bis zum Neusiedlersee leben in der Bundeshauptstadt.
Hier ist die Zahl zudem wieder stark steigend: Schon infolge des Flüchtlingskrisenjahres 2015 hatte sie massiv zugenommen. Im März 2017 gab es in Wien 152.409 Bezieher. 2019 bis 2023 waren es relativ konstant rund 130.000. Heuer waren es mit 141.549 wieder deutlich mehr (plus sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr).
Einem Jahresbericht für 2023 ist zu entnehmen, auf wen die Zuwächse (zumindest bis Dezember) zurückzuführen sind: Asylberechtigte (plus zehn Prozent auf 51.929) und subsidiär Schutzberechtigte (plus 25 Prozent auf 10.183).
Unter den Bundesländern ist es in den vergangenen Jahren zu einem Wettbewerb gekommen, bei dem es tendenziell darum ging, welches Land weniger Mindestsicherung oder Sozialhilfe gewährt. Wien hat sich daran nicht beteiligt. Es zahlt nun drauf: Wer kann, geht nach Wien. Das kann abgesehen davon freilich auch pragmatische Gründe haben: Die Stadt ist für Zuwanderer insofern attraktiv, als hier schon viele leben.
Zur Entschärfung hat AMS-Vorstand Johannes Kopf eine Residenzpflicht vorgeschlagen. Geflüchtete müssten demnach an einem bestimmten Ort bleiben, um die Mindestsicherung zu beziehen. Aus den Regierungsparteien ÖVP und Grüne kam jedoch umgehend eine Absage. Ausnahme: Gemeindebundes-Präsident Johannes Pressel (ÖVP) sprach sich im Nachrichtenmagazin „Profil“ dafür aus. Für eine Änderung wird das jedoch nicht reichen.