ANALYSE. Warum sich die Regierung gezwungen sieht, die Bremse zu ziehen. Und warum das zumindest politisch wirkungsvoll sein könnte.
Ob ein Mietpreisstopp notwendig oder vernünftig ist, ist unter anderem eine Frage des Standortes. Nicht einmal in der Sozialdemokratie, die ihn in der schwarz-rot-pinken Regierung durchgesetzt hat, ist er unumstritten. So berichtete der „Standard“ vor wenigen Tagen, dass auch aus dem „roten“ Verein für Wohnbauförderung Kritik komme: Gemeinnützigen Bauträgern werde Geld für Investitionen fehlen. Beziehungsweise Geld, um leistbare Wohnungen zu errichten.
Abgesehen davon zeigt ein Blick auf den IHS-Preismonitor, dass die Preise seit dem Jahr 2020 alles in allem um 27 Prozent gestiegen sind, Wohnungsmieten allein aber „nur“ um 21 Prozent. Insofern könnte man sich wundern, dass da jetzt eingeschritten wird. Andererseits ist dem Monitor auch zu entnehmen, was zuletzt, als die Teuerung wieder angezogen hat, der stärkste Treiber war: Mieten.
Und überhaupt: Tatsächliche und gefühlte Preissteigerungen können weit auseinandergehen. Als die Inflationsrate im vergangenen Jahr bereits stark zurückgegangen war, wurde bei der ORF/Forsight-Befragung zur Nationalratswahl als das größte Problem genannt: die Teuerung. Und zwar noch vor Zuwanderung und anderen Dingen. Das ist umso bemerkenswerter als auch Löhne und Pensionen in der Regel längst angepasst waren.
Politisch bleibt es jedoch ein Dilemma: Wenn viele Menschen das Gefühl haben, dass die Preise weiter schier ungebremst steigen und sie sich immer weniger leisten können, ist es schier unmöglich, sie zu überzeugen, dass alles sehr relativ sei. Da kann es politisch nicht nur einfacher, sondern auch stimmungsmäßig wirkungsvoller sein, sie zu bestätigen und zu einem Mietpreisstopp zu schreiten.
Zumal die Sache kompliziert ist: Bei den Mieten gibt es neben einem subjektiven schon auch ein objektives Problem. Es zeigt sich beim Gewicht, dass sie beim IHS-Preismonitor nach Einkommensschicht haben. Beim untersten Zehntel ist es mit dem Faktor 16,6 fast viereinhalb Mal größer als beim obersten (3,8). Sie fallen also gerade bei denen am stärksten ins Gewicht, die am wenigsten verdienen.
Zum subjektiven Problem kommt, dass Belastungen unterschiedlich stark wahrgenommen werden. Bei einer Statistik-Austria-Erhebung zum Thema Wohnen gaben 2023 jeweils gut ein Achtel der Mieter von Gemeinde- und Genossenschaftswohungen an, eine Wohnkostenbelastung von über 40 Prozent des Haushaltseinkommens zu haben. Bei Mietern anderer Wohnungen, also Wohnungen „auf dem freien Markt“, handelte es sich mit fast einem Fünftel (18 Prozent) um wesentlich mehr. Ausgerechnet viele von ihnen haben vorerst jedoch nichts vom Mietpreisstopp. Dieser verhindert eine Erhöhung schon per April nur bei Altbau- sowie Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen.
Andererseits sind es Bewohner von Gemeindewohnungen, die bei einer Befragung zu sozialen Krisenfolgen der Statistik Austria im Sommer 2024 mit Abstand am häufigsten angegeben haben, unter einer schweren Wohnkostenbelastung zu leiden (30 Prozent). Sprich: Sie finden am ehesten, belastet zu sein. Das ist politisch besonders für die „Gemeindebaustadt“ Wien relevant, wo am 27. April gewählt wird.