Krise der direkten Demokratie

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ZAHLEN ZUM TAG. Es gibt sehr viele Volksbegehren, aber kaum noch welche, die hunderttausende Unterstützungserklärungen erzielen – und so gut wie keine, die auf parlamentarischer Ebene ernst genommen werden.

109 Volksbegehren hat es in der Geschichte der Zweiten Republik bisher gegeben, davon zwei Drittel allein seit dem Jahr 2018. Eine Erklärung für die Häufung ist, dass es seither möglich ist, eine Unterstützungserklärung „online“ abzugeben. Das erleichtert vieles. Andererseits: Wirklich Wellen schlägt kaum noch ein Begehren.

Gerade ist eine Eintragungswoche für drei Volksbegehren zu Ende gegangen: Jenes gegen die ORF-Haushaltsabgabe erreichte mit 119.368 als einziges mehr als 100.000 Unterstützungserklärungen und muss daher vom Nationalrat behandelt werden. Deutlich darunter blieben die Begehren zur Entlastung von Autofahrern (58.201) und gegen eine „Volksbegehren-Bereicherung“ (33.185).

Initiiert worden ist letzteres von einem Niederösterreicher, der die Flut stoppen will. Seine Annahme ist, dass sie damit zusammenhängt, dass Initiatoren von Begehren eine Kostenrückerstattung von rund 17.000 Euro erhalten, sobald 100.000 Unterschriften erreicht sind. Wird das gestrichen, so die Annahme, gibt es weniger Begehren.

Das mag sein. Und die Regierung plant auch, gegen die Flut vorzugehen. Grundsätzlich ist es aber wohl wenig verwunderlich, dass es in zunehmend bewegten Zeiten mehr und mehr Volksbegehren gibt. Bemerkenswert erscheint vielmehr, dass es kaum noch wirklich erfolgreiche gibt. Nämlich in dem Sinne, dass sie, sagen wir, mehr als 500.000 Unterstützungserklärungen erreichen.

Bei den 39 Begehren bis 2017 war das bei gut jedem dritten, nämlich elf der Fall. Bei den 70 Begehren seit 2018 nur bei zwei („Don’t smoke“ und „Für uneingeschränkte Bargeldzahlung“). Mögliche Erklärungen: Es gibt weniger mediale, vor allem aber parteipolitische Aufmerksamkeit und damit einhergehende Unterstützung für Begehren.

Dafür kann es viele Gründe geben und es ist nicht nur schlecht, dass etwa Parteien vielleicht zögerlicher geworden sind, mit Volksbegehren ein Instrument der direkten Demokratie zu kapern; sie, die ohnehin schon die repräsentative Demokratie „haben“.

Interessant ist jedoch das Ergebnis einer Auswertung, die eine Fachabteilung des Parlaments vor einigen Monaten durchgeführt hat: Die Begehren, die bis 2017 in den Nationalrat gelangten, wurden demnach „in der Regel mehrmals in einem Ausschuss beraten“. Bei den Begehren seither war das hingegen in der Regel nur einmal der Fall. Pflichtübung. Sprich: Sie wurden allenfalls zur Kenntnis genommen und schubladisiert. Erreicht oder bewegt haben sie nichts: Das ist wohl das größere Problem als die Flut, die die Regierung nun bekämpfen möchte.

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