BERICHT. Zum Kopftuchverbot, das der Verfassungsgerichtshof ohnehin wieder kippen könnte, schlägt die Liga für Menschenrechte eine Alternative vor, die demselben Ziel entsprechen würde.
Kopftuchverbot, zweiter Versuch: Nachdem es vor fünf Jahren vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufgehoben worden ist, ist die gegenwärtige Regierung bemüht, es anders zu framen. Es geht demnach um eine Stärkung der Selbstbestimmung von unmündigen Mädchen. Ob das besser ist, ist nach Ansicht der Rechtsanwaltskammer jedoch fraglich.
2020 habe der VfGH erklärt, dass dem islamischen Kopftuch keine eindeutige und unmissverständliche Bedeutung zukomme und es ihm gerade bei Fragen der Religions- und Weltanschauungsfreiheit verwehrt sei, sich bei mehreren Möglichkeiten der Deutung eines religiösen Symbols eine bestimmte Deutung zu eigen zu machen und einer grundrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen, so die Rechtsanwaltskammer in einer Stellungnahme: „Dieseleben Überlegungen treffen auf den gegenständlichen Gesetzesentwurf zu.“ Sprich: Falls er Gesetz wird und angefochten wird, dürfte er demnach ebenfalls gekippt werden.
Ähnlich sieht es die Präsidentin der Liga für Menschenrechte, Barbara Helige, die 1998 bis 2007 an der Spitze der Richtervereinigung stand. Für die Liga stellt sie fest, dass der Entwurf „als nicht verfassungskonform“ erscheine.
Das ist ein Problem; nämlich auch ein politisches: ÖVP, SPÖ und Neos riskieren hier viel. Es gibt unterschiedliche Motive, dafür zu sorgen, dass zumindest unter 15-jährige Mädchen kein Kopftuch tragen müssen. Darunter nachvollziehbare und plausible. Dazu kommt in der gegenwärtigen politischen Stimmungslage aber immer auch eine antimuslimische Dimension.
Das darf man nicht ausblenden: Was machen Türkise, wenn dieses Verbot wieder nicht hält? Beginnen sie sich dann, um Erwartungshaltungen von Teilen der Wählerschaft zu entsprechen, am Verfassungsgerichtshof abzuarbeiten, wie sie es im Zusammenhang mit verwehrten Abschiebungen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte tun? Die Gefahr besteht – mit der Folge, dass wesentliche Rechte ebenso weiter zunehmend in Frage gestellt werden wie höchste Instanzen, die dazu da sind, zu entscheiden, ob die Rechte eingehalten werden oder nicht.
Insofern ist bemerkenswert, was Barbara Helige namens der Liga für Menschenrechte außerdem erklärt: Bestrebungen, die Rechte von Kindern zu stärken und ihre freie Persönlichkeitsentfaltung sicherzustellen, seien grundsätzlich zu begrüßen. Das Ziel, Mädchen vor möglichen Formen von Zwang oder Einschränkungen ihrer Selbstbestimmung zu schützen, sei aus menschenrechtlicher Sicht „legitim und wichtig“.
Zu bevorzugen wären jedoch präventive und unterstützende Maßnahmen, um die Selbstbestimmung von Kindern zu fördern und gleichzeitig Zwang sowie Diskriminierung entgegenzuwirken. Zum Beispiel durch eine umfassende Stärkung der Aufklärungsarbeit über Kinderrechte, Gleichstellung und Geschlechterrollen.
Aber: „Wenn es sanktionsbewährte Regeln geben muss, so sollten sich diese (laut Helige) ausschließlich gegen Personen richten, die unzulässigen Druck auf Schülerinnen ausüben, und nicht gegen die Schülerinnen selbst.“ Man könnte auch sagen: Nehmt euch, wenn schon, denn schon, die Eltern oder Väter vor – sie tragen die Verantwortung.