Beinahe verdoppelt

-

ANALYSE. Die Regierung sieht sich gezwungen, bei den Energiepreisen gegenzusteuern. Kein Wunder.

Gefühlt ist Teuerung für sehr viele Menschen immer ein Problem. Man stellt jedoch große Veränderungen fest, wenn man genauer hinhört. Die Europäische Kommission tut das. Sie lässt monatlich unter anderem 1500 Österreicherinnen und Österreicher befragen, wie sich zum Beispiel die finanzielle Lage ihres Haushaltes in den vergangenen zwölf Monaten entwickelt habe. Die Antworten, die zusammengefasst und indexiert ausgewiesen werden, lassen Rückschlüsse zu.

In der Regel wird eher eine Verschlechterung wahrgenommen. Seit Oktober 1996 liegen für Österreich Indexwerte vor. Sie sind seither fast immer negativ. Nur einmal waren sie für ein paar Monate positiv, nämlich unmittelbar vor Beginn der Coronapandemie; da wurde von den Haushalten alles in allem eher eine Verbesserung der finanziellen Lage gesehen (siehe Grafik).

In der Finanzkrise 2008/2009 und am Höhepunkt der Teuerung 2022 waren die Werte besonders negativ. Sprich: Eine Masse ortete hier eine starke Verschlechterung. Zuletzt standen die Zeichen auf Erholung, kam es erst Anfang dieses Jahres wieder zu einer Eintrübung. Das deckt sich mit der Inflationsrate, die nach einer Phase der Entspannung wieder gestiegen ist.

Prompt sieht sich die Regierung gezwungen, zu reagieren. Energiekosten solle es an den Kragen gehen, heißt es von der ersten Klausur der schwarz-rot-pinken Koalition. Netzkosten sollen demnach sowohl für Unternehmen als auch für die Haushalte reduziert werden.

Ist das notwendig? Politisch ist Teuerung ein heikles Thema. Schwarz-Grün hat versucht, die Teuerung in einer Zeit, in der sie ungewöhnlich hoch war, abzufedern. In diesem Sinne ist im Dezember 2022 eine Strompreisbremse eingeführt worden. Allerdings nur befristet für zwei Jahre. Das habe die Inflationsrate um bis zu drei Viertel Prozentpunkte verringert, heißt es beim WIFO. Allerdings wusste man dort im vergangene Sommer auch schon: „Nach Auslaufen werden die Strompreise ab Jänner 2025 wieder stärker zur Teuerung beitragen.“

Das ist jetzt der Fall. Der Wiederanstieg der Inflationsrate hat vor allem damit zu tun. Es war absehbar. Bloß: Wäre es jetzt zumutbar, könnten es sich ÖVP, SPÖ und Neos sparen, neuerlich einzugreifen? Für die drei gibt es Gründe, mit Nein zu antworten. Hohe Energiekosten sind ein Problem für eine ohnehin schon angeschlagene Wirtschaft. Sie sind darüber hinaus aber auch ein Problem gerade für Haushalte mit einem niedrigen Einkommen.

Dem IHS-Preismonitor ist zu entnehmen, dass Wohnenergiepreise (Strom, Gas etc.) gerade wieder um 80 Prozent höher sind als im Jahr 2020, sich also beinahe verdoppelt haben gegenüber damals. Vorübergehend war das 2022/2023 schon einmal der Fall. Das ist heftig: Alle Preise, die dem Verbraucherpreisindex zugrunde liegen und damit die Inflationsrate zum Ausdruck bringen, sind nur um 27 Prozent höher. Auch die Löhne sind das (laut Tariflohnindex) ungefähr.

Sprich: Wohnenergie fällt wesentlich stärker ins Gewicht als vor wenigen Jahren. Laut Konsumerhebung taten sie das 2019/2020 beim durchschnittlichen Haushalt mit 4,1 Prozent der Gesamtausgaben. Schon damals war der Anteil beim „untersten Zehntel“ aber doppelt so groß (8,3 Prozent) und beim „obersten Zehntel“ nur etwa halb so groß (2,3 Prozent). Seither ist keine Erhebung mehr durchgeführt worden. Wenn man aber davon ausgeht, dass die Anteile heute deutlich größer sind, bekommt man eine Ahnung vom Ausmaß des Problems.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner