ANALYSE. Bürgern jahrelang Preis- oder Gebührenanpassungen zu ersparen und ihnen nach Wahlen mit schmerzlichen zu kommen, zeugt nicht von ehrlicher Politik. Ob auf Bundesebene oder in Wien.
Die Nachricht, dass in Wien unter anderem die Jahreskarte für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel um mehr als ein Viertel teurer wird und künftig nicht mehr 365, sondern 467 Euro kostet, kommt nicht ganz überraschend. Finanzstadträtin Barbara Novak (SPÖ) hatte schon im Sommer eine entsprechende Andeutung gemacht. Immerhin droht der Kommune heuer eine Neuverschuldung von drei, vier Milliarden Euro.
Andererseits konterkariert es Bestrebungen der Bundesregierung, Bemühungen gegen die Teuerung zu signalisieren. Diese wird durch jede, auch nominelle, Preissteigerungen bestimmt.
Im Übrigen hat der „Kurier“ den damals wahlkämpfenden Wiener Bürgermister Michael Ludwig (SPÖ) im Frühjahr mit den Worten zitiert, dass er den „Ankerpreis“ von 365 Euro für das Jahresticket (= ein Euro pro Tag) beibehalten wolle. Okay, könnte man jetzt einwenden, er hat nicht gesagt, dass er dafür sorgen werde. Er wolle nur schauen.
Wobei: In einer Grundsatzrede zur Gemeinderatswahl hat er am 25. März ausdrücklich gesagt: „Ebenso wird (die) Jahreskarte der Wiener Linien auch künftig um 365 Euro, also 1 Euro pro Tag zu haben sein! Das Ticket gibt es in dieser Form seit 2012. Wenn man die Inflation berücksichtigen würde, würde das Ticket bereits das Doppelte kosten. Aber aus sozialen und ökologischen Gründen halten wir an den 365 Euro fest – weil die Wienerinnen und Wiener von der günstigen Mobilität profitieren und es ein wichtiger Beitrag für eine nachhaltige Zukunft ist.“
Den Wählerinnen und Wählern wäre die Wahrheit zumutbar: Es leuchtet ein, dass auch öffentliche Einrichtungen auf steigende Kosten (Personal, Energie etc.) reagieren müssen. Möglichkeit A: Sie senken die Kosten und schränken unter Umständen auch ihre Angebote ein. Möglichkeit B: Ihre Eigentümer, bei den Wiener Linien also die Stadt, sorgen für höhere Einnahmen. Durch Quersubventionierung aus dem Budget bzw. aus Steuermitteln, was sich im konkreten Fall nicht mehr ausgeht oder eben dadurch, dass sie (Ticket-)Preise erhöhen lassen.
In der Politik gibt es jedoch eine Neigung, den Wählern so viel Verständnis nicht zuzumuten, sondern ihnen etwas vorzumachen, solange es irgendwie geht. Wie in Wien jetzt oder auf Bundesebene rund um die Nationalratswahl vor einem Jahr.
Davor hatte sich der seinerzeitige Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) dafür feiern lassen, Bundesgebühren für neue Dokumente wie beispielsweise Führerscheine und Reisepässe nicht anzupassen: „Wir wollen, dass den Menschen mehr Geld zum Leben bleibt. Mit der Gebührenbremse setzen wir einen Schritt zur Entlastung, der sofort spürbar wird“, sagte der Mann, dem schon damals klar gewesen sein muss, wie die budgetäre Lage wirklich ist.
Zu den ersten Maßnahmen der nunmehrigen Regierung gehörte, erraten, eine Anpassung der Gebühren. Um schlappe 33,10 auf 109 Euro für einen Pass etwa. Wobei es auch in diesem Fall hieß, dass nur ein Teil der Teuerung, die sich über die Jahre ergeben hat, weitergegeben werde.
Mit diesem Argument ist zum Beispiel auch Infrastrukturminister Peter Hanke (SPÖ) beim Klimaticket gekommen. Bis zum Sommer kostete es 1179,30 Euro, ab 1. Jänner wird es immerhin 1400 Euro kosten. Plus 220,70 Euro.
Problem: Das läppert sich. Und macht aus ein paar sogenannten Teil-Anpassungen eine erhebliche Belastung. Es ist ein Argument für Indexierungen, also jährliche Anpassungen, die automatisch erfolgen und nur ausnahmsweise ausgesetzt werden. Wenn es etwa eine hohe Inflation gibt und die Löhne noch nicht entsprechend nachgezogen sind.
Durch ebensolche würde das Problem reduziert werden: Erhöhungen würden für die Bürgerinnen und Bürger absehbar werden, sie könnten sich darauf einstellen und ihre Haushaltsbudgets umschichten – was dann viel weniger stark notwendig wäre als bei einem Staat oder einer Stadt, die Gebühren oder Preise lange nicht anpasst, Budgets aus dem Ruder laufen lässt – und erst dann von heute auf morgen groß raufgeht.