Blümels Crash-Kurs

-

ANALYSE. Auch beim Budget 2021 geht es darum, extrem hohe Krisenkosten zu begleichen. Überfällige Weichenstellungen zu Klimaschutz und Pensionssicherung bleiben aus.

Wie lange Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) suchen musste, um Zitate für seine Budgetrede zu finden, ist nicht überliefert. Seit Karl-Heinz Grasser, einer seiner Vorgänger, vor bald 20 Jahren eine solche Rede mit den Worten eröffnete, dass ein guter Tag mit einem sanierten Budget beginne, ist das jedoch zu einer beliebten Übung geworden. Wie auch immer: Blümel erinnerte daran, dass Leopold Figl in seiner berühmten Weihnachtsansprache gesagt habe: „Ich bitte euch, glaubt an dieses Österreich.“

Das ist eine Zumutung: Figl hat das nicht irgendwann, sondern 1945 gesagt. Damals lag Österreich in Trümmern, wussten sehr viele Menschen nicht, wie sie zu genügend Heizmaterial, Kleidung und Nahrungsmitteln kommen sollten. So schlecht geht es uns bei weitem nicht.

Doch lassen wir das. Zumindest ebenso wichtig ist, dass in Anbetracht Blümel’scher Budgetpolitik zunehmend Zweifel an der Zukunftsfähigkeit Österreichs aufkommen müssen; nach heutigen Standards, wohlgemerkt.

Stolz verweist der Finanzminister darauf, dass es aufgrund guter Haushaltsführung in der Vergangenheit möglich sei, die Krisenkosten zu bewältigen und heuer und im nächsten Jahr zusammen allein 29 Milliarden Euro für Arbeit und Beschäftigung bereitzustellen. Um nicht missverstanden zu werden: Kurzarbeit, Fixkostenzuschüsse und dergleichen sind grundsätzlich gut und wichtig. Es handelt sich aber eher um eine budgetpolitische Pflicht, die schon für sich genommen nicht ohne Risiko ist; dann etwa, wenn aufgrund der Krisendauer aus der Kurz- eine Langzeitkurzarbeit wird.

Das ist das eine. Das andere: Zur Krisenbewältigung wendet Blümel so viel Geld auf, dass ihm sehr vieles fast schon egal zu sein scheint. Schon vor dem Sommer ließ er etwa Bauernpensionen aufbessern, zuletzt verkündete er einen „Corona-Bonus“ für alle Pensionsversicherten in Form einer summa summarum über einen Teuerungsausgleich hinausgehenden Pensionsanpassung.

Das ist Crash-Kurs: Bei den Pensionsausgaben gibt es ohnehin schon ein Problem. In den nächsten Jahren setzt sich die „Babyboomer-Generation“ zur Ruhe. Junge, denen die Coronakrise am brutalsten zusetzt, werden das schultern müssen. Inklusive Extras wie der erwähnten Pensionsanpassung.

Laut Budgetvoranschlag wird der Beitrag zur Pensionsversicherung gegenüber 2019 bis zum kommenden Jahr um ein Drittel auf 12,4 Milliarden Euro steigen. Klar: Die Beschäftigungslage ist schlecht, also kommen weniger Versichertenbeiträge zusammen, also muss mehr Steuergeld zugeschossen werden. Allein: Wenn das ohnehin schon so ist, sollte man mit Maßnahmen, die eben zusätzlich kostensteigernd sind, ganz besonders vorsichtiger sein.

Begleitende Reformen zur Pensionssicherung sind zudem nicht vorgesehen. Weder Blümel noch sein Partei- und Regierungschef, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), haben beispielsweise die Absicht, das Pensionsalter spürbar anzuheben. Wahrscheinlich, weil das nicht besonders populär wäre.

Crash-Kurs ist auch dies: Der Finanzminister muss den Zeitraum auf vier Jahre strecken (2021 bis 2024), um sagen zu können, dass eine Milliarde Euro zusätzlich für Klimaschutz aufgewendet werde. Und dass etwa der Einstieg (!) in das 1-2-3-Ticket zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedeckt sei. Das ist nett. Oder nichts. Wie man’s gemessen an Herausforderungen und Relationen nimmt. Wobei es nicht so sehr um die Höhe der Summen geben sollte, sondern um die Maßnahmen. Konkret: Weiterhin nicht vorgesehen ist die Abschaffung ökoschädlicher Förderungen (z.B. Dieselprivileg), geschweige denn eine Steuerreform, die zu wirkungsvollen Lenkungseffekten im Sinne des Klimaschutzes führen würde.

Diesbezüglich wird die Zeit knapp. Auch rein politisch: Sollte die ÖVP ausnahmsweise einmal eine volle Legislaturperiode durchhalten, wird 2024 gewählt. Und in diesem Zusammenhang wird sie unmittelbar davor ihren Frächtern und Bauern etwa kaum höhere Spritpreise zumuten. Ganz im Gegenteil.

dieSubstanz.at spricht Sie an? Unterstützen Sie dieSubstanz.at >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

GDPR Cookie Consent mit Real Cookie Banner