Auch Tirol kocht mit Wasser

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ANALYSE. Wie sich ein „Nulldefizit“ trotzdem nicht ausgeht: Dividendenzahlungen der Tiwag vervielfacht. Für den SPÖ-Konflikt um Dornauer ist das nebenbei brisant.

Es ist schon so, dass Tirol budgetär in der Vergangenheit am besten aufgestellt war im Bundesländervergleich und es nach wie vor ist. Das lässt sich auf Basis verfügbarer Daten zur Verschuldung von Ländern und Gemeinden sagen: 2014 war die Pro-Kopf-Verschuldung in Tirol ebenso am niedrigsten wie im vergangenen Jahr. Da war sie mit 3001 Euro beinahe nur halb so hoch wie im bundesweiten Durchschnitt.

Bemerkenswert ist jedoch die Entwicklung über die Jahre: Nirgends ist der Schuldenstand so stark gestiegen wie in Tirol. Er hat sich verdreifacht. Insofern Glück im Unglück für das Land, dass es von einem besonders niedrigen Niveau ausgegangen ist.

Zum Vergleich: In Vorarlberg und Wien hat sich die Pro-Kopf-Verschuldung in etwa verdoppelt, im Burgenland und in der Steiermark ist sie um die Hälfte sowie in Kärnten um ein Viertel und in Niederösterreich um ein Achtel gestiegen. In Oberösterreich ist sie dagegen leicht und in Salzburg um ein Viertel gesunken – jedenfalls gegenüber 2014. Zwischendurch war sie dort deutlich niedriger und weist seit 2020 wie überall eine steigende Tendenz auf.

Zurück zu Tirol: Das Land macht gerade damit Schlagzeilen, dass es Medienberichten zufolge ein „Nulldefizit“ plane für 2026 und 2027. In Wirklichkeit wird es in beiden Jahren höhere Aus- als Einzahlungen haben, geht jedoch davon aus, die Differenz durch „liquide Mittel“ in Höhe von insgesamt gut 600 Millionen schließen zu können. Das ist Geld, das jeweils zu Beginn eines Budgetjahres auf den Konten des Landes liegt.

Das alles ist sehr technisch – entscheidend ist jedoch, was nach „Maastricht“, also den europäischen Fiskalregeln, die Österreich einzuhalten hat, herauskommt. Und demnach wird Tirol eigenen Angaben zufolge zwar keine Netto-Neuverschuldung, im kommenden Jahr aber ein Defizit von voraussichtlich 156 Millionen und 2027 ein solches von 194 Millionen Euro verzeichnen.

Außerdem nützt das Land eine „Cash Cow“: Als Eigentümer des Energieversorgers Tiwag lässt es sich Dividenden in beträchtlicher Höhe auszahlen. In den 2020er Jahren hatte es sich meist nur um einen einstelligen Millionenbetrag gehandelt. Nach 50,5 Millionen Euro 2023, sollen es heuer jedoch 110 und im kommenden Jahr 150 Millionen Euro werden. Für 2027 sind schließlich 100 Millionen geplant (siehe Grafik).

Gemessen an einem Sechs-Milliarden-Euro-Budget mag das noch immer vernachlässigbar wirken: Geht man davon aus, dass die Neuverschuldung der meisten Länder eine dreistellige Millionenhöhe hat (u.a. auch jene von Oberösterreich mit 255 Millionen Euro), ist das jedoch eine bedeutende Größenordnung.

Die Tiwag-Dividende ist auch brisant im Hinblick auf einen SPÖ-internen Konflikt: Die Partei hat ihren Ex-Landesobmann Georg Dornauer Anfang Oktober ausgeschlossen, weil er eine Rückführung von 170 Millionen Euro an „Übergewinnen“ des Energieversorgers an die Bevölkerung verlangte. Ein Antrag dazu im Landtag wäre zwar einen Koalitionsbruch gleichgekommen (die SPÖ ist mit der ÖVP von Landeshauptmann Anton Mattle in der Regierung), die Forderung könnte in der Sache aber nicht für den Parteiausschluss gereicht haben, den Dornauer denn auch bekämpft.

Abgesehen davon, dass das Gleiche vom niederösterreichischen SPÖ-Vorsitzenden Sven Hergovich für den dortigen Energieversorger EVN gefordert wird, ist es für die Sozialdemokratie eine Herausforderung, zu argumentieren, warum die in Teuerungszeiten belasteten Bürger nicht, sehr wohl aber das Land entlastet werden soll – zumal die Tiwag allen gehört.

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