Nehammer ist einfach nur zynisch

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ANALYSE. Innenminister möchte afghanische Staatsangehörige Regimen anvertrauen, die foltern und Menschenrechte mit Füßen treten.

Was Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) treibt, ist durchschaubar, bloße „Stimmungsmache“ ein harmloser Ausdruck dafür. Die Situation in Afghanistan sei „dramatisch“, sagte er diesen Mittwoch, um vor einer Situation wie 2015 zu warnen. Seriös ist das nicht: Erstens, in den vergangenen Jahren sind relativ wenige Staatsangehörige Afghanistans nach Europa gekommen. Zweitens, Österreich haben laut Wanderungsdaten der Statistik Austria unterm Strich sogar eher mehr verlassen.

Vor allem aber gibt es heute sehr viele Hürden: Der Iran hat bereits vor Wochen begonnen, eine Pufferzone aufzubauen, die Türkei sorgt für dichte Grenzen und unter anderem Griechenland tut das mittlerweile ebenfalls. Sprich: Es ist schwer, durchzukommen.

Laut einer UNHCR-Datenbank befanden sich im vergangenen Jahr verhältnismäßig viele afghanische Flüchtlinge und Asylwerber in Österreich: 46.569. Gemessen an der Bevölkerung sind das mehr als in Deutschland (181.097). Das darf nicht unterschlagen werden.

Einfach nur zynisch ist jedoch Nehammers Aussage, man müsse den Nachbarstaaten Afghanistans zeigen, dass es „wertvoll ist, Hilfe zu leisten“. Bei ihnen sei noch „deutlich Luft nach oben“, was die Aufnahme der Schutzsuchenden betrifft.

Für zwei Nachbarstaaten ist das von den Zahlen her zweifelhaft: In Pakistan waren laut UNHCR 2020 eineinhalb Millionen Geflüchtete und Asylwerber aus Afghanistan, im Iran immerhin 780.000. Bei vier weiteren Nachbarstaaten sind die Zahlen tatsächlich extrem niedrig. Auf Tadschikistan entfielen 9581, auf China, Turkmenistan und Usbekistan gar nur 32, 14 und 13.

Das ist letztlich jedoch keine Überraschung, wie Berichte der Menschenrechtsorganisation Amnesty International für 2019 zeigen. Zitate: In China wurden „Uigur*innen, Kasach*innen und andere überwiegend muslimische Bevölkerungsgruppen Opfer weitreichender Überwachung, willkürlicher Inhaftierung und Zwangsindoktrination“ ausgesetzt. „Die turkmenische Regierung ist eine der autoritärsten der Welt. Schwere Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung (…). Folter und andere Misshandlungen sind Berichten zufolge weit verbreitet, und Häftlinge werden unter Bedingungen gefangen gehalten, die unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gleichkommen.“

„In Tadschikistan waren Rechtsanwält_innen, die an vorderster Front für die Menschenrechte kämpften, weiterhin großen Gefahren ausgesetzt – die Behörden schüchterten sie ein und drohten ihnen mit willkürlicher Inhaftierung, Folter und anderen Misshandlungen. In Turkmenistan machte die Unterdrückung jedweder abweichenden Meinung eine offene Menschenrechtsarbeit gänzlich unmöglich.“ Und zu Usbekistan: „Trotz Reformen des Strafrechts und der Schließung berüchtigter Foltergefängnisse herrschte nach wie vor Straflosigkeit für frühere Menschenrechtsverstöße.“

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