Länder schaffen sich selbst ab

-

ANALYSE. Der Streit um sogenannte Gastpatienten zeigt, dass das Gesundheitswesen zentralisiert gehört.

Österreich ist offenbar nicht klein genug. Durch Wien ist der Begriff „Gastpatienten“ allgemein bekannt geworden. Er steht für Menschen aus anderen Bundesländern, die in der Bundeshauptstadt behandelt werden. Diese ist zwar selbst ein Land und Teil eines Ganzen (Österreich), beim Finanziellen hört sich das aber auf.

Bei planbaren Operationen in Wien hatten Nicht-Wiener schon bisher Nachrang. Jetzt sollen sie das laut Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) noch mehr haben. Die Bundesländer würden zu wenig zahlen. Es geht um Mehrkosten von angeblich 450 Millionen Euro, auf denen die Stadt sitzen bleibt.

Davon betroffen wären unter anderem Burgenländer. „Das ist aus meiner Sicht rechtlich nicht vertretbar“, schäumt ihr Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). Über einen Patientenanwalt will er daher Fälle sammeln lassen, in denen Patienten weggeschickt worden sind, um rechtlich dagegen vorgehen zu können.

Föderalismus gilt als „Ordnungsprinzip, das auf weitgehender Unabhängigkeit einzelner Einheiten beruht, die zusammen aber ein Ganzes bilden“. Hier schafft er, hier schaffen sich Länder selbst ab.

Das mit dem Kosten ist nachvollziehbar. Wenn aber der Wohnort in Österreich darüber entscheidet, welche Gesundheitsleistungen Bürger bekommen, ist Schluss. In der Verfassung gibt es zwar kein explizites „Recht auf Gesundheitsversorgung“, aber Bestimmungen, die indirekt einen solchen Zugang garantieren.

Daraus leitet sich ab, dass der Staat und seine Teile grundsätzlich allen gleichermaßen einen solchen ermöglichen müssen. Schaffen sie es nicht, ist es Zeit für eine Zentralisierung. Müssen Verantwortlichkeiten, die gerade im Gesundheitswesen zersplittert sind, gebündelt werden. Es wäre ohnehin überfällig. Siehe nachfolgende Darstellung zu den Geldflüssen im Gesundheitswesen, die einem Rechnungshofbericht entnommen ist.

Ohne Reform droht Schlimmeres: Das Burgenland etwa glaubt unter Doskozil, sich eine eigene Vollversorgung leisten zu müssen. In Gols, das keine Autostunde von Wien entfernt ist, wird eine neue Klink errichtet. Außerdem soll im Bundesland, das gut 300.000 Einwohner hat, eine eigene Medizin-Uni entstehen. Das kann sich alles schwer ausgehen. Finanziell und überhaupt: Man fragt sich, ob in einem kleinen Land ausreichend medizinische Kapazität sein kann.

Zumal inklusive Wien insgesamt neun Bundesländer um Fachkräfte ringen. Die Vorarlberger Krankenhausbetriebsgesellschaft etwa wirbt beim AKH am Währinger Gürtel seit Jahren um Turnus-Ärztinnen und -Ärzte. „Go to the West“, seht da und das Bruttojahresgehalt. Angefangen hat es mit 72.000 Euro, heute sind es 99.000 Euro. Das entspricht immerhin 4300 Euro netto pro Monat. Es ist ganz offensichtlich notwendig für die Gesellschaft, um im Wettbewerb um Nachwuchs zu bestehen.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner