Werbewillkür mit Steuergeld

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BERICHT. Das Kanzleramt inseriert eher in der Bauernzeitung als in politischen Magazinen. Bei ihnen ist die Stadt Wien aktiv.

Regierungsinserate, wie sie in Österreich gehandhabt werden, sind fragwürdig bis skandalös: Sie werden aus Steuergeldern finanziert, erreichen ein weltweit wohl einzigartiges Volumen und werden noch dazu freihändig vergeben.

Seit Sebastian Kurz Bundeskanzler ist, darf sich beispielsweise auch die „Österreichische Bauernzeitung“ über Inserate des Bundeskanzleramtes freuen. Vom 1. Quartal 2020 bis zum 1. Quartal 2021 betrug das Gesamtvolumen laut Medientransparenzdatenbank 111.683,88 Euro. Im Vergleich zu den 4,3 Millionen Euro, die in diesem Zeitraum an die auflagenstarke „Kronen Zeitung“ gingen, ist das nichts, im Vergleich mit anderen Zeitschriften jedoch sehr viel. Und überhaupt: Unter sozialdemokratischen Regierungschefs gab es jahrelang gar nichts, wie eine Auswertung auf die Seite medien-transparenz.at zeigt.

Weniger als 100.000 Euro betrug das Inseratenvolumen des Kanzleramts beim Nachrichtenmagazin „Profil“ (knapp 98.000 Euro) und vor allem bei „News“ (rund 57.000 Euro). 28.782,10 Euro gingen an den „Falter“. Das war vier Mal weniger als an die Bauernzeitung.

Aus zwei Gründen ist das bemerkenswert: Die Bauernzeitung gehört Unternehmen, die vom Rechnungshof als Beteiligungsunternehmen der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) – Bundesobmann: Sebastian Kurz – ausgewiesen werden. Medieninhaberin ist die Agrar Media Verlagsgesellschaft mbH“, Gesellschafter unter anderem die „Österr. Agrarverlag Druck und Verlags Gesellschaft m.b.H. NfG. KG“.

Umgekehrt wird „Falter“-Chef Florian Klenk vom ÖVP-Nationalratsabgeordneten Andreas Hanger jetzt schon persönlich angegriffen. Dessen Doppelrolle als Medieneigentümer und Chefredakteur sei zu hinterfragen, wie der „Standard“ berichtet, nicht ohne anzumerken, dass das ein gängiges Konstrukt sei – „siehe „Österreich“ oder „Krone“, die Hanger allerdings nicht thematisierte“.

Sachliche Kriterien, nach denen Inserate vergeben werden, sind nur sehr eingeschränkt erkennbar. Bei der Stadt Wien erscheint nachvollziehbar, dass sie in der Bauernzeitung gar nicht inserierte. In Wien gibt es relativ wenige Landwirte. Die Stadt inseriert deutlich weniger als das Kanzleramt in „Der Sonntag“, der Wochenzeitschrift der Erzdiözese, und erreicht bei „News“ mit rund 281.000 Euro und der Stadtzeitung „Falter“ mit 254.000 Euro wiederum ein deutlich größeres Volumen als beim „profil“ mit 184.000 Euro. Wobei diese 184.000 Euro eben wieder deutlich mehr sind als vom Kanzleramt kommen.

Die Stadt Wien bzw. SPÖ und Neos haben in ihrem Koalitionsübereinkommen eine Überarbeitung der Werbepolitik angekündigt. Zitat: „Bei Medienkooperationen und Inseraten legt die neue Stadtregierung in ihrer Kommunikationsstrategie fest, dass sie bevorzugt mit jenen Medien zusammenarbeiten wird, bei denen journalistische Sorgfalt, Innovation sowie Aus- und Weiterbildung der Journalist_innen einen hohen Stellenwert haben. Hierfür werden klare und transparente Kriterien und Sanktionen definiert.“ Allein: Umsetzung offen.

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