Was jetzt, Herr Bundeskanzler?

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ANALYSE. Sebastian Kurz hat Hoffnungen gemacht und sich als großer Problemlöser inszeniert. Das beginnt sich zu rächen.

Man kann Umfragen relativieren. Vor allem, wenn sie einen Sample von gerade einmal 500 aufweisen wie das aktuelle „Politiker-Ranking“ einer Gratis-Zeitung. Irgendetwas bringen sie jedoch immer zum Ausdruck, irgendetwas bleibt immer hängen: Die Tageszeitung „Heute“ berichtet von einer „überraschenden Wende“: Nicht mehr Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grünen) würden bei diesem Ranking am besten abschneiden, sondern SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Sie ist zuletzt 36 Prozent der Befragten positiv und 29 Prozent negativ aufgefallen. Bei Kurz überwiegt der „Negativ“-Anteil mit 45 zu 35 Prozent, bei Anschober mit 36 zu 32 Prozent.

Sebastian Kurz dürfte schon länger spüren, dass etwas in Rutschen geraten ist. Natürlich: Um seinen Job muss er sich keine Sorgen machen. Im Falle des Falles muss er einfach nur durchhalten und darauf hoffen, dass bis zum spätestmöglichen Nationalratswahl-Termin (Herbst 2024) wieder alles gut wird. Von den Grünen wird er jedenfalls kaum fallengelassen, sofern er sie beim Klimaschutz nicht zu sehr enttäuscht.

Eine kleine Kursänderung deutet aber eben darauf hin, dass Kurz bereits gemerkt hat, dass er dringend etwas ändern muss: Er hat angefangen, nicht nur mit Experten an seiner Seite aufzutreten, sondern auch mit Sozialdemokraten. Mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig bei der sogenannten Massenimpfung im Dezember  oder vor etwas mehr als einer Woche bei der Verkündigung der Lockdown-Verlängerung. Außerdem machte er nach Christine Aschbacher einen ausgewiesenen Experten zum Arbeitsminister. Das sind Zugeständnisse: „Message Control“ gerät mehr und mehr an seine Grenzen. Einem Ludwig kann Kurz mit seinen Leuten genauso wenig mitteilen, was er zu sagen hat, wie einem Kocher; das sind keine Marionetten, geschweige denn Leute, die existenziell abhängig sind von ihm.

Diese Kursänderung geht jedoch nicht weit genug. Kurz bleibt Kurz und das ist ihm gerade in einer Art und Weise zum Verhängnis geworden, dass man sich wundern müsste, wenn die eingangs erwähnte „Heute“-Umfrage heute nicht noch schlechter ausgehen würde für ihn.

Der Kanzler hat sich im Zusammenhang mit der Corona-Impfung selbst zum entscheidenden Problemlöser erklärt. Das eine oder andere Mal hat er auch geblufft: Im Dezember ließ er nach einem Telefonat mit dem Pharmakonzern Pfizer beispielsweise wissen, dass es im ersten Quartal 2021 immerhin 900.000 Impfdosen für Österreich geben werde. Öffentlich sollte damit wohl der Eindruck vermittelt werden, dass dies allein Kurz zu verdanken sei. Abgesehen davon, dass diese Dosen in Wirklichkeit auch ohne sein Telefonat geplant waren, rächt sich das nun: Wenn Kurz so gute Kontakte zur Pharmabranche pflegt, warum werden dann massive Kürzungen über Medien bekannt? Warum kümmert er sich dann nicht umgehend um eine Lösung? In einem Ö1-Journal hieß es am vergangenen Samstag, aus dem Kanzleramt sei man ans Gesundheitsministerium verwiesen worden. Sprich: Dem „Chef“ ist die Geschichte gerade zu unangenehm; da ist er lieber nicht mehr „Chef“.

So wird sich seine Lage freilich kaum verbessern: Sehr vielen Menschen hat er im vergangenen August Hoffnung gemacht, dass es 2021 einen normalen Sommer geben könnte. Virus-Mutationen sowie Impfstoff-Lieferengpässe lassen das jedoch immer unwahrscheinlicher erscheinen. Was unangenehm werden könnte für Kurz: Selbst wenn es gut gemeint war, ein Licht am Ende des Tunnels zu skizzieren, hat er damit riesige Enttäuschungen riskiert, die sich letzten Endes gegen ihn wenden könnten.

Vielleicht wird SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die in der öffentlichen Meinung nun ja relativ gut dastehen soll, maßlos unterschätzt. Ihr Vorschlag, Israel, das mehr als genug davon habe, um Impfstoff zu bitten, ist jedenfalls auch ein Spezialauftrag für Sebastian Kurz: Er wird damit unter Druck gesetzt, hat er sich in den vergangenen Monaten doch gerühmt, einen intensiven Austausch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu pflegen. Womit er naturgemäß auch die Erwartungshaltung befeuert hat, dass ganz Österreich von dieser Beziehung profitieren sollte, wenn es hart auf hart geht.

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