Wie man einen Wasserschaden nicht behebt

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ANALYSE. Regierungsinserate: Vor entscheidenden Schritten sind ÖVP und Grüne zurückgeschreckt. Das verdeutlicht den Unernst, mit dem hier vorgegangen wird.

Künftig müssen alle öffentlichen Inserate offengelegt und auch ausführlicher begründet werden. Das ist gut, leitet aber schon zu einer Schwäche über: So weit sich aus dem vorliegenden Begutachtungsentwurf erschließt, ist keine Kontrollinstanz vorgesehen, die auch nur Rügen ausspricht; wenn das Innenministerium beispielsweise wie bisher eher nur in Boulevardzeitungen sogenannte Informationstätigkeiten auf Kosten aller SteuerzahlerInnen betreibt und dies, sagen wir, damit begründet, dass es dort halt den größten Bedarf gebe, gestreuter Verunsicherung entgegenzuwirken (das würde sogar schlüssig klingen). Und Überhaupt: Es bleibt möglich, unbegrenzt zu inserieren. Anders ausgedrückt: Inseratenkorruption wird nicht entschlossen bekämpft.

Hier geht es um Demokratiepolitik bzw. die Notwendigkeit, einen Wasserschaden zu beheben, wie ihn Bundespräsident Alexander Van der Bellen geortet hat. Problem: Durch Inserate können (!) Abhängigkeitsverhältnisse gepflegt werden; wirtschaftliche wie redaktionelle. Allein diese Möglichkeit ist heikel. Zumal es wohl kaum ein Land gibt, in dem Regierende gemessen an der Bevölkerung so viel Geld dafür aufwenden wie in Österreich.

Dem könnte man einen Riegel vorschieben, tut es aber nicht. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer konnten sich nicht darauf verständigen, Inserate zu begrenzen und Millionenbeträge in die Medienförderung umzuleiten. Dann wäre das Ganze sogar aufkommensneutral gewesen.

Es ist nicht so, dass der Begutachtungsentwurf für eine Reform, der nun vorliegt, keine Fortschritte enthält. Veröffentlicht werden müssen Inserate künftig nicht erst ab einer Bagatellgrenze von 5000 Euro pro Medium und Quartal, sondern generell. Das bedeutet, dass zumindest das wahre Gesamtvolumen bekannt werden sollte. 2021 wurde ein Volumen von 225 Millionen Euro veröffentlicht, gehandelt haben dürfte es sich inklusive Inserate bis 5000 Euro aber um rund 300 Millionen Euro.

Außerdem sind nähere Angaben vorgesehen: Ab einem Kampagnenvolumen von 5000 Euro ist das jeweilige Sujet zu veröffentlichen. Ab 150.000 Euro müssen etwa Ziele und Zielgruppen angegeben werden sowie Begründungen über die „getroffene Auswahl und die Gewichtung“ der eingesetzten Medien geliefert werden. Ab 750.000 Euro ist zusätzlich eine „Wirkungsanalyse der Werbekampagne“ erforderlich. Missachtungen werden nicht mehr mit bis zu 60.000, sondern mit bis zu 100.000 Euro (im Wiederholungsfall) bestraft. Immerhin.

Stolpern kann man in den offiziellen Erläuterungen zu diesen Verschärfungen über das Wort „Werbekampagne“: Regierungsinserate werden gerne damit gerechtfertigt, dass es ein Informationsbedürfnis zu befriedigen gebe. Jetzt gesteht man, dass man politische Errungenschaften schlicht bewerben möchte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die entscheidende Schwäche der vermeintlichen Verschärfungen liegt in der Konsequenz: Was passiert mit den Informationen? Es gibt offensichtlich niemanden, der sie inhaltlich bewerten und die Kompetenz haben soll, eine Aussage oder auch nur Rüge auszusprechen. Das verdeutlicht den Unernst, mit dem hier gegen den Wasserschaden vorgegangen wird.

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