Wo’s die SPÖ zerreißt

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ANALYSE. Wiener Genossen von Michael Ludwig haben im Sinne von Gewerkschaftern die Führung übernommen. Rendi-Wagner hat nichts mehr zu sagen und Linken bleibt wohl nur eine Abspaltung.

Will man die SPÖ-Krise chronologisch aufrollen, könnte man natürlich sehr, sehr lange zurückgehen. Entscheidend waren jedoch Ereignisse 2016 und 2017. Zunächst gelingt es Christian Kern gegen Wiener Genossen, Werner Faymann vom Bundesparteivorsitz zu verdrängen; dann scheitert Christian Kern, lässt mit Pamela Rendi-Wagner jedoch eine mehr oder weniger auf sich allein gestellte Nachfolgerin zurück. Und dazwischen schaffen es dieselben Wiener Genossen, von denen gerade die Rede war, Michael Häupl durch Michael Ludwig auszutauschen um spätestens im Sommer 2019 de facto auch die Bundesparteiorganisation zu übernehmen. Konkret: Christian Deutsch, ihr Mann fürs Grobe, wurde Wahlkampfchef und schließlich SPÖ-Geschäftsführer. Und Doris Bures, ihre letzte Hoffnung, tritt daneben immer öfter in Erscheinung, wenn es um den Außenauftritt geht.

Doch machen wir’s nicht komplizierter als es ohnehin schon ist: Dahinter steht das Parteidilemma, dass es „den“ Arbeiter nicht mehr gibt; und dass sich seine Kinder eher in Wohlstandsgewinner und Wohlstandsverlierer aufgeteilt haben. Die einen haben studiert und machen Karriere. Sie wählen grün. Die anderen haben diesen Aufstieg nicht gemacht und spüren das natürlich auch. Sie wählen blau oder türkis.

In Wien lässt sich das besonders eindrucksvoll nachvollziehen. Grün geworden sind stärker Ex-Rote in den zentrumsnäheren Bezirken; blau oder türkis stärker jene in den Flächenbezirken draußen. Michael Ludwig hat letztere im Fokus, er will sie halten oder zurückgewinnen. Insofern war das Nationalratswahlergebnis eine Warnung für ihn: Die SPÖ hat da wie dort ziemlich stark verloren, sie ist sowohl nach links als auch nach rechts ausgeronnen.

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Von daher erklärt sich auch, darum Ludwig das größte Interesse daran hat, dass Deutsch die Kontrolle über die Bundespartei übernimmt. Experimente, wie Max Lerchers Vorschlag, die SPÖ neu zu gründen, gehen ein Jahr vor der Wiener Gemeinderatswahl gar nicht. Aber auch Rendi-Wagner kann sich vage Modernisierungsversuche sparen. Wobei man jetzt auch die Gewerkschafter anführen muss: Sie haben schon 2017 nach Christian Kerns Kurskorrekturbemühungen darunter gelitten, dass erstmals bei einer Nationalratswahl mehr Gewerkschaftsmitglieder türkis oder blau (46 Prozent) als rot (44 Prozent) gewählt haben (Quelle: GfK-Austria). Von daher deckt sich decken sich ihre Interessen mit denen von Ludwig.

Wie die Geschichte ausgeht? Schwer zu sagen. Man kann sich nur wundern, wie lange sich Rendi-Wagner das noch antut, Statthalterin von Leuten zu sein, deren politische Ausrichtung ihr ziemlich fremd sein muss. Abgesehen davon werden Linke, die sich in der Partei nicht mehr wohl fühlen, irgendwann resignieren oder sich selbstständig machen: Selbst wenn die Wiener Gruppe um Michael Ludwig bei der Gemeinderatswahl in einem Jahr scheitern sollte, bleiben ja noch immer die Gewerkschafter, die zumindest in Migrationsfragen ÖVP und FPÖ viel näher stehen als den Grünen.

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