Signal: SPÖ vs. engagierte Jugend

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ANALYSE. Aus Sicht der Partei hätte es im Konflikt um die Wiener Stadtstraße nicht zur Eskalation kommen dürfen. Das könnte ihr noch schwer zu schaffen machen.

Bei der Wiener Lobau und der Errichtung einer Stadtstraße, gegen die Aktivistinnen und Aktivisten ein Protestcamp gebildet haben, geht es längst nicht mehr darum, was verkehrs- oder umwelt- und klimapolitisch notwendig erscheint. Es geht um etwas ganz Anderes: Die „Katholische Aktion“ etwa bringt es zum Ausdruck, indem sie in Bezug auf die nunmehrige Räumung „von einem empörenden Signal gegen engagierte Jugendliche“ spricht. Es geht um Bilder und Signale.

Die Stadt bzw. die SPÖ, die hier vor allem über Bürgermeister Michael Ludwig und Stadträtin Ulli Sima die politische Verantwortung trägt, könnte es sich einfach machen und erklären, eine politische Mehrheit hat die Straße beschlossen, daher muss sie gebaut werden. Zumal die Donaustadt der Bezirk österreichweit ist, der am stärksten wächst und der wie jeder andere eine ordentliche Infrastruktur benötigt. Folglich dürfen noch so viele Aktivistinnen und Aktivsten nicht glauben, das Projekt verhindern zu können.

Für die Sozialdemokratie sind die Signale das Problem. In Form von Bildern, die Polizeikräfte einerseits und Jugendliche andererseits zeigen. Das wirkt bedrohlich für letztere, mit denen sich daher nicht wenige Beobachter solidarisieren werden, zumal es halt wirklich toll ist, wenn sich der Nachwuchs nicht nur für irgendetwas einsetzt, sondern für eine umweltfreundlichere Zukunft.

Das Versagen von Stadt wie Verkehrsstadträtin Sima ist, dass sie die Hoheit über die Signale längst verloren haben. Zu spät, nämlich erst in den vergangenen Tagen, sind sie auf die Idee gekommen, Klimapolitik zu forcieren, um diesem „Betoniererimage“, das ihnen von einer aufmüpfigen Jugend umgehängt worden ist, etwas entgegenzusetzen. Zu groß war schon der Schaden, der ganz besonders damit angerichtet worden ist, im vergangenen Herbst auch minderjährige Baustellenbesetzer und Sympathisanten bei der Stadtstraße „mit Schadenersatzklagen in existenzbedrohender Höhe“ („profil“) konfrontiert zu haben (die Dummheit wurde letztlich erkannt und bedauert, politische Konsequenzen blieben freilich aus).

Was jetzt passiert ist, wird eher eine Gegenbewegung befeuern, die der SPÖ noch länger zu schaffen machen könnte. Auf kommunalpolitischer Ebene ist es der Partei in Wien bisher gelungen, im Vergleich zu Nationalratswahlen sehr stark zu bleiben. Bei der Gemeinderatswahl 2017 holte sie immerhin 41,6 Prozent. Die Grünen dagegen haben sich zuletzt viel schwerer getan auf dieser Ebene als bei Nationalratswahlen (siehe Grafik).

Natürlich: Die Verhältnisse sind komplizierter, die Sozialdemokratie muss auch in der Bundeshauptstadt Mitte-Rechts-Mitbewerber wie die ÖVP und die FPÖ im Auge behalten. Im Hinblick darauf muss ihr die Räumung des Protestcamps nicht schaden. Im Gegenteil. Zumal in absehbarer Zeit eine Mitte-Links-Mehrheit gesichert bleiben dürfte, erscheint es für die Partei wichtiger, wohin sich dortige Wählerinnen und Wähler orientieren. Zu ihr? Muss nicht sein. Die nunmehrigen Signale werden eher den Grünen nützen.

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