Schlimmer als Ibiza

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ANALYSE. Rund um die Casinos kommt die Hemmungslosigkeit gewisser Politiker erst so richtig zum Ausdruck.

Akzeptieren wir für eine Sekunde, dass „Ibiza“ eine „b’soffene G’schicht“ war, wie Ex-Vizekanzler und -FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache beteuerte: Er hat zu viel getrunken, hat vor der Gastgeberin angegeben und einige Dinge gesagt, die wiederum nur auf die beiden erstgenannten Umstände zurückzuführen waren. Akzeptiert man diese Darstellung (und zwar lediglich für ein Gedankenexperiment), wird erst so richtig klar, dass die Causa Casinos viel schlimmer als Ibiza ist. Und zwar für Strache und all die übrigen Beteiligten.

Auf der Mittelmeerinsel hat Strache vor zweieinhalb Jahren erklärt, was er im Fall einer Regierungsbeteiligung tun würde: Staatliche Aufträge willkürlich und überteuert vergeben, die „Kronenzeitung“ zu seinem Vorteil instrumentalisieren etc. Politisch ist er schon damit untragbar geworden, zumindest aber hat er noch behaupten können, dass er nichts davon umgesetzt habe.

Bei den Casinos Austria geht die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft dagegen einem konkreten Verdacht nach, der sich von Tag zu Tag mehr erhärtet: Unter Strache gab es demnach einen Deal zwischen einem privaten Glücksspielkonzern und den Freiheitlichen; dafür bekamen sie die Unterstützung für einen Casinos-Vorstandsposten. Und die ÖVP spielte als Koalitionspartner mit: Entfernt ist all das nichts anderes als die praktische Umsetzung von „Ibiza“. Ja, man muss in diesem Punkt im Nachhinein auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen widersprechen: Auch wenn dieses System nur von relativ wenigen Menschen betrieben wird, funktioniert Österreich offenbar leider doch so.

Genug? Bei weitem nicht: Was wirklich überrascht bei der ganzen Geschichte ist diese Hemmungslosigkeit. Die Akteure haben nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Also bemühen sie sich auch nicht weiter um Geheimhaltung. Nein, sie schreiben sogar SMS und WhatsApp-Nachrichten.

„A Schriftl is a Giftl”: Von wem genau diese Aussage stammt, lässt sich auf die Schnelle nicht nachvollziehen. Was wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass es Allgemeingut ist. Der Spruch ist zudem alt. Er stammt aus einer Zeit, in der man Dinge auf Papier festgehalten hat. Das ist bemerkenswert: Immerhin konnten solche Dokumente vernichtet werden. Trotzdem war man jedoch vorsichtig und sagte eben „A Schriftl is a Giftl“.

WhatsApp-Nachrichten kann man genauso wie E-Mails oder SMS-Botschaften löschen, aber nicht vernichten. Irgendwo bleiben sie gespeichert. Und gerade Regierungsmitglieder müssen auch vor diesem Hintergrund davon ausgehen, dass alles, was sie schreiben, irgendwann und irgendwie öffentlich wird. Und ihnen zum Verhängnis werden kann.

Aber was reden wir: In der Praxis ist so wenig Bewusstsein schon zu viel verlangt, wie die Protokolle zeigen, die der „Falter“ soeben veröffentlicht hat. Da soll Strache dem damaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) im Februar 2019 zum Beispiel ausdrücklich für dessen Unterstützung bei der Casinos Austria AG gedankt haben – und wie antwortete dieser? Nicht nicht und auch nicht zurückweisend, sondern mit einem „Daumen hoch“. „Bitte, gerne, passt schon“, quasi.

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