Nehammer will nicht

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ANALYSE. Der 49-Jährige begnügt sich damit, ein Kanzler und ÖVP-Chef des Übergangs zu sein. All die Korruptionsprobleme hätten bereits deutliche Signale des Neubeginns erforderlich gemacht.

„Die ÖVP hat kein Korruptionsproblem“ sagte der Bundeskanzler und designierte Parteichef, Karl Nehammer, Ende Dezember in einem APA-Interview. Schon damals war diese Partei neben namhaften (Ex-)Leuten wie Sebastian Kurz von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Beschuldigte geführt worden. Das ist keine Verurteilung, aber ein Problem.

Am Dienstag, den 25. Jänner, ist Nehammer dieses Zitat erst recht um die Ohren geflogen: In der Früh kam die Meldung, dass Österreich in einem internationalen Korruptionsindex verloren hat. Ausschlaggebend dafür war nicht sogenannte Alltagskorruption, sondern eher politische Korruption sowie auch das Ausbleiben vielfach versprochener Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung (Parteientransparenz etc.). Weitere Meldungen von jenem Tag sprechen Bände: Im Zusammenhang mit einer mutmaßlich ÖVP-motivierten Postenbesetzung durch Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter wurde öffentlich, dass OGH-Vizepräsidentin Eva Marek mit sofortiger Wirkung ihrer Leitungsaufgaben entbunden wurde. Chats, durch die die mehrere Jahre zurückliegenden Vorgänge bekannt geworden waren, seien „geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung zu gefährden“, so ÖGH-Präsidentin Elisabeth Lovrek. Alles? Nein: Im Laufe des 25. Jänner veröffentlichte das Onlineportal zackzack.at weitere Chats, die schwarz-türkise Personalpolitik im Innenministerium veranschaulichte; und zwar auch unter der Ressortführung des heutigen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP).

Die ÖVP hat ein Korruptionsproblem. Beziehungsweise hat die Republik eines mit ihren Praktiken, die mehr und mehr den Eindruck vermitteln, sie werde von der Partei als ihr Eigentum betrachtet, mit dem sie schalten und walten kann, wie es ihr gefällt. Die Tatsache, dass das in SPÖ-geführten Ländern wie Wien und dem Burgenland nicht anders sein mag, macht die Sache nicht besser. Zum einen gibt es hier ein grundsätzliches Problem, das durch Amtsgeheimnis sowie Intransparenz bei Entscheidungsfindungen, Parteienfinanzierung und Inseratenvergaben begünstigt wird. Zum anderen ist die ÖVP viel mächtiger: Sie ist die größere Regierungspartei auf Bundesebene, seit Jahrzehnten mit am Ruder, kontrolliert mehrere Kammern, sechs von neun Bundesländern sowie eine Mehrheit der Gemeinden vom Boden- bis zum Neusiedlersee. Sie ist bestimmender Teil des Staates.

Eines Staates, der unter Druck gerät: Landeshauptleute mögen dies von daher weniger wahrnehmen, als sie eigentlich nie mit einer größeren, kritischen Öffentlichkeit konfrontiert sind, die hartnäckig so lange einen Missstand thematisiert, bis er behoben werden muss. Doch auch Karl Nehammer spürt es nicht stark genug. Er meint, sich irgendwie durchlavieren zu können, nur den kommenden ÖVP-U-Ausschuss diskreditieren zu müssen etc.

Damit macht er sich zu einem Repräsentanten des Übergangs. Vor ihm ist durch Sebastian Kurz etwas zusammengebrochen, er selbst mag nichts Neues aufbauen, was noch länger Bestand haben könnte. Das kann man mit einer solchen Bestimmtheit behaupten, weil er schon zu vieles bestehen ließ: Prominente Ex-Mitarbeiter von Kurz, die wie dieser als Beschuldigte geführt werden von der WKStA, sind nach wie vor aktiv. Wolfgang Sobotka ist dabei, einmal mehr einen U-Ausschuss-Vorsitz zu übernehmen, ausgerechnet Andreas Hanger soll wieder die türkise Fraktion leiten. Das läuft darauf hinaus, dass alles abgestritten wird und alle, die unangenehm werden, rüpelhaft angegangen werden; von Staatsanwälten bis hin zu anderen Volksvertretern.

Wenn Karl Nehammer den Ernst der Lage für sich und seine Partei erkannt hätte, hätte er eine Reißleine gezogen. Sobotka würde den Vorsitz natürlich nicht führen, Hanger wäre wieder bloßer „Hinterbänkler“. Er hätte sich bereits mit seinen Landeshauptleuten zusammengesetzt, ihnen erklärt, dass andere Zeiten angebrochen sind, türkis oder schwarz zu sein nicht mehr ausreicht, sondern Kompetenz und Leistung zählen, dass maximale Transparenz für Staat und Parteien erforderlich werden und so weiter und so fort. Sollten sie etwas dagegen einzuwenden haben, könnten sie ihn gerne haben: Die Wahrscheinlichkeit, dass sie klein beigeben würden, wäre groß. Andernfalls müssten sie sich die Peinlichkeit geben, nach wenigen Wochen schon wieder einen neuen Bundeskanzler (und Parteiobmann) suchen zu dürfen. Doch die Gelegenheit, das auszunützen, hat Nehammer wohl ohnehin schon verstreichen lassen.

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