Message out of control

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ANALYSE. Die Vorgangsweise von Susanne Wiesinger ist das eine. Die Antwort von Heinz Faßmann und Co. ist das andere: Sie bestätigt, wie Österreich funktioniert.

Der letzte Schultag sei für Ilse Rollett, die Direktorin der AHS Rahlgasse in Wien, alles andere als entspannend gewesen. Kurz vor Acht seien plötzlich vier Beamte vor ihrer Tür gestanden, darunter keine geringeren als der Generalsekretär des Bildungsministeriums, Martin Netzer, und der Kabinettschef des Ministers, Markus Benesch, wie der „Kurier“ im vergangenen Juli berichtete.

Rollett muss Schlimmes angerichtet haben, denkt man sich. In Wirklichkeit hatte sie es gemeinsam mit weiteren Schulleiterinnen nur gewagt, Kritik an den separierten Deutschklassen zu üben. Das reicht in Österreich auch im 21. Jahrhundert dafür aus, dass eine halbe Ressortführung ausrückt. Die Botschaft: „Message Control“ über alles; Zuwiderhandlungen sind quasi Super-GAV, die größt anzunehmenden Vergehen.

Wer wundert sich also darüber, was Susanne Wiesinger mit ihrem Buch „Machtkampf im Ministerium“ gerade ausgelöst hat. Gut, den Kontext muss man selbstverständlich beachten: Wiesinger war bis zum Wochenende Ombudsfrau für „Wertefragen und Kulturkonflikte“ im Auftrag des alten und neuen Bildungsministers Heinz Faßmann (ÖVP). Diese Funktion war ganz im Sinne der türkisen „Message“ gedacht, hatte Wiesinger in einem ersten Buch doch von enormen Integrationsproblemen mit muslimischen Jugendlichen berichtet. Ihr neuestes Werk passt jedoch nicht dazu. Das ist ein Vertrauensbruch. Sprich, ihre Absetzung als Ombudsfrau ist nachvollziehbar.

Das ist das eine. Das andere: Die Kollateralschäden, die hier unter politischer Führung von Heinz Faßmann angerichtet werden, sind viel bemerkenswerter als das, was Wiesinger gemacht hat: Hier gerät „Message out of control“, Wiesinger wird in einem entscheidenden Punkt bestätigt: Erlaubt ist nur, das parteipolitisch passt. Entsprechend kompromisslos und bisweilen halt stümperhaft wird durchgegriffen, wenn sich jemand nicht daran hält.

Heidi Glück, Ex-Sprecherin des ehemaligen ÖVP-Kanzlers Wolfgang Schüssel und der langjährigen Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer, war Wiesinger beratend zur Seite gestellt. Wiesinger ist sich offenbar eher kontrolliert vorgekommen. Wie auch immer: Wie reagiert Glück auf das Buch „Machtkampf im Ministerium“? Offensiv, Wiesinger sei „eher Maulwurf als Ombudsfrau“ gewesen, wettert sie (und erntet dafür eine Klagsdrohung).

So etwas kann man nicht erfinden: Glück gibt sich nicht zurückhaltend oder äußert allenfalls nur ihre Verwunderung über das Buch. Nein, sie wird untergriffig. Und macht sich damit gewissermaßen zum „Message Control“-Sanktionsorgan.

Dass Bildungspolitik an die 100 Prozent Partei- und gegen null Prozent evidenzbasierte Politik ist, also ziemlich genau verkehrt herum läuft, wie es bei Wiesinger rüberkommt, ist im Übrigen nicht neu. Im Gegenteil, Heinz Faßmann hat das höchstpersönlich bezeugt.

Auf die „Standard“-Frage, wie es zur Wiedereinführung von Ziffernnoten gekommen sei, antwortete er einst wörtlich: „Es ist eine politische Entscheidung, wie vieles, was ich entscheiden muss.“ Und: „Nicht hinter jeder politischen Entscheidung gibt es auch eine wissenschaftliche Fundierung.“ In der Tat: Zur Frage, wie groß das Problem sei, dass man ein Kopftuchverbot an Kindergärten schaffe, ließ er in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vor eineinhalb Jahren wissen, dass der Erhebungsprozess noch im Gange sei. Sprich: Symbolpolitik hatte Vorrang, war quasi schon abgefahren.

Alles in allem begünstigt all das das Heranwachsen einer explosiven Gemengelage: Im Ministerium eine Führung, die rein sachlich nicht belastbare Dinge macht, aber von tausenden Mitarbeitern verlangt, dass sie das kritiklos zur Kenntnis nehmen – auf der anderen Seite ebendiese Mitarbeiter aus der Praxis, für die das unerträglich ist, wie eben Wiesinger oder die eingangs erwähnte Ilse Rollett verdeutlichen.

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