Grün-pinker Jahrhundertsommer

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ANALYSE. Während ÖVP, SPÖ und FPÖ in einem Altparteienfinanzierungsnebel verschwinden, beginnen Grüne und Neos zu glänzen. Bis zur Nationalratswahl ist’s jedoch noch lang.

Es kommt erstens anders und zweitens als man denkt. In diesem Sinne ist vor der kurzen Sommerpause ein Ausblick auf die Nationalratswahl Ende September müßig. Weil es aber schon bisher anders als gedacht gekommen ist, sei genau dies festgehalten: Plötzlich läuft nicht mehr alles nur für die ÖVP von Sebastian Kurz. Ganz im Gegenteil. Stattdessen haben eher die Kleinparteien Grüne und Neos zu einem Lauf angesetzt, der ihnen selbst fast schon unheimlich sein muss. Nach oben hin scheint sehr viel möglich zu sein für sie. Allein: Bis zur Nationalratswahl ist’s eben noch lang.

Die türkise Bewegung steht plötzlich wie eine ganz gewöhnliche Altpartei da.

Was seit Veröffentlichung des Ibiza-Videos für die Neue ÖVP eher überraschend gekommen ist, ist dies: Die Freiheitlichen haben zwar verloren, sind aber nicht am Boden zerstört. Vor allem aber ist die Volkspartei gleich doppelt in eine Defensive geraten: Wie SPÖ und FPÖ steckt sie in einem Parteienfinanzierungsnebel fest. Wie sehr, ist nicht absehbar. Der Punkt ist aber, dass sie selbst schon zugeben musste, 2017 bisher unbekannte Großspenden gestückelt angenommen zu haben. Und dass die Justiz auch bei ihr Vereinskonstruktionen unter die Lupe genommen hat. Ergebnis: offen. Das Problem: Selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung, die türkise Bewegung, die Kurz inszeniert hat, steht durch all das aber da wie eine ganz gewöhnliche Altpartei; insofern trifft sie das härter.

Vielleicht schlimmer noch für die ÖVP ist der Themenwandel. Auch sie hat darauf reagieren müssen, dass seit geraumer die Klimakrise als die größte Herausforderung wahrgenommen wird. Nicht die Flüchtlingskrise. Rasch Antworten darauf zu finden, ist jedoch schwer für sie: Wer schon so lange die Umweltminister stellt und von einer ökologischen Steuerreform nichts mehr wissen will, kann kaum glaubwürdig von heute auf morgen klimafreundlich werden.

Zum Klimawandel hat die SPÖ, der Soziales eher liegen würde, nicht viel beizusteuern.

Zur SPÖ: Sie hat sich nach Auflösung der schwarz-blauen Koalition selbst zu Fall gebracht. Stand heute kann sie weder ernsthaft einen Anspruch auf Platz eins noch auf das Kanzleramt erheben. Auch ihre Probleme sind zudem die Parteienfinanzierung sowie der Klimawandel. Dazu hat sie, der Soziales eher liegen würde, nicht viel beizusteuern. Ähnliches gilt für die Freiheitlichen.

Bleiben die Kleinparteien: Neos und Grünen kommt zugute, Transparenz und Korruptionsbekämpfung schon immer mehr oder weniger deutlich auf ihre Fahnen geheftet zu haben. Und auch wenn die Pinken gerade 300.000 Euro vom Bauindustriellen Hans Peter Haselsteiner bekommen haben, der nebenbei im ORF-Stiftungsrat sitzt für sie, dann liegt all das zumindest offen: Da wurde nichts gestückelt und auch nichts über irgendwelche Vereine abgewickelt; das ist allemal besser als bei ÖVP, SPÖ und mutmaßlich auch FPÖ.

Die Neos haben im richtigen Moment die Kurve gekratzt.

Das ist das eine. Das andere: Dass sie für Klimaschutz stehen, müssen die Grünen nicht extra betonen. Viele Wähler werden zwar nicht wissen, was sie genau vorhaben, sie sind aber die einzigen, die schon immer gesagt haben, dass gehandelt werden muss. Die Neos wiederum haben die Kurve im richtigen Moment gekratzt und vor einigen Monaten ein Konzept für eine ökologische Steuerreform entwickelt, inkl. CO2-Steuer auf der einen und Entlastung des Faktors Arbeit auf der anderen Seite. Die Wirkung, die das haben kann, ist nicht gering: Immerhin hat die ÖVP das Thema „ökosoziale Steuerreform“, das einst von Josef Riegler bis Franz Fischler forciert worden ist, auf- und damit für andere Parteien freigegeben.

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