Anti-muslimische Ablenkung

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ANALYSE. Wovon rechtspopulistische Christdemokraten nicht reden: Die katholische Kirche bricht in sich zusammen – und damit auch ein wesentlicher Teil einer bürgerlichen Welt.

Ein christliches Abendland geht unter. Aber nicht so sehr wegen einer Islamisierung, sondern vielmehr wegen einer Säkularisierung: Der Schrumpfungsprozess der katholischen Kirche hat sich in den vergangenen Jahren beschleunigt. Die Zahl der Mitglieder und vielmehr noch die der Gottesdienstbesucher ist stark zurückgegangen.

Die Trennung von Kirche und Staat ist dagegen aufgehoben: Mehr denn je widmet sich die österreichische Politik diffusen Werten und Glaubensfragen. Wobei das aktuell von der ÖVP betrieben wird, um die Rückgewinnung von Wechselwählern durch die FPÖ zu sabotieren, wie der Pastoraltheologe Paul Zulehner in einem Aufsatz schreibt. Also: Ausweitung des Kopftuchverbots, Kampf gegen politischen Islam und so weiter und so fort. Alles in allem handelt es sich laut Zulehner um „wahltaktisch erfolgreich verlaufende Symbolpolitik im Verfassungsrang“ – mit einer Nebenwirkung; nämlich einer unmissverständlichen Botschaft an die muslimische Kommunität, wie der Theologe weiter ausführt: „Wir wollen Euch nicht im Land!“

Vielleicht lenkt dieser Kampf von einem ganz anderen Problem ab: Die katholisch-bürgerliche Welt bricht vor allem in sich selbst zusammen. Die Kirche als Zentrum des All- oder zumindest Sonntags verliert mehr und mehr an Bedeutung. Und zwar eben bei weitem nicht nur aufgrund andersgläubiger Zuwanderer.

Das verdeutlicht die offizielle Kirchenstatistik. Gemessen an der Gesamtbevölkerung ist der Anteil der Katholiken allein seit 2003 von 71 auf 58 Prozent (2018) zurückgegangen. Und schwerwiegender noch: Der Anteil der Gottesdienstbesucher, die an einem Zählsonntag in der Fastenzeit ermittelt werden, hat sich von 10,5 auf 5,7 Prozent halbiert.

Gut, das sei kein Wunder, weil ja die Gesamtbevölkerung durch die Zuwanderung so stark gewachsen sei, könnte man jetzt einwenden. Dem steht jedoch auch diese Entwicklung gegenüber: Auch die absoluten Zahlen sind in der Kirchenstatistik rückgängig. Gab es 2003 noch 5,8 Millionen Katholiken, so handelte es sich 2018 nur noch um 5,1 Millionen. Und gingen 2003 noch 850.000 in die Sonntagsmesse, so waren es zuletzt nur noch 500.000.

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