Nationalfeiertagsallerlei

KOLUMNE VON LIBERO. Der Nationalfeiertag sollte mit neuem Sinn erfüllt oder abgeschafft werden. In der jetzigen Form hat er keine Existenzberechtigung mehr.

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KOLUMNE VON LIBERO*. Der Nationalfeiertag sollte mit neuem Sinn erfüllt oder abgeschafft werden. In der jetzigen Form hat er keine Existenzberechtigung mehr.

Zum 50. Mal wird heuer am 26. Oktober der „Nationalfeiertag“ begangen. Was genau gefeiert werden soll, wird allerdings mit jedem Jahr weniger klar. Die seinerzeitige Idee, mit diesem Tag die Erinnerung an den Beschluss des Neutralitätsgesetzes im Jahr 1955 hochzuhalten, ist längst verblasst. Es ist nie gelungen, die Neutralität in das Heute zu übersetzen. Deshalb muss dieser Tag für alles Mögliche herhalten.

Alle Jahre wieder pilgern Scharen auf den Wiener Heldenplatz, wo das Bundesheer traditionell eine „Leistungsschau“ abhält. Viel Militärgerät auf einem Fleck übt zeitlos Faszination aus. Warum das angesichts von Kriegen weltweit so ist, kann nur massenpsychologisch erklärt werden. Oder nostalgisch im Sinne von Sehnsucht nach einstiger Größe und Macht. Oder mit dem sich hartnäckig haltenden Irrtum, wonach Waffen automatisch Sicherheiten bedeuten würden. Und demnach immer noch mehr Waffen immer noch mehr Sicherheit.

Um Sicherheit geht es immer, jetzt aber ganz besonders, da sich eine gigantische Flüchtlingstragödie nicht irgendwo ereignet, sondern spürbar nahe ist und als bedrohlich empfunden wird. Deshalb fährt die Innenministerin an die Grenze und schwadroniert von einer „Festung Europa“.

Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage, welche Funktion Staatsgrenzen innerhalb einer Europäischen Union noch haben, könnte die Irrationalität so mancher politischer Aussage entlarven. Wenn Abertausende von Menschen vor der Türe stehen, geht es nicht um die Verteidigung der Grenze, sondern vor allem um die Organisation humanitärer Hilfe. Das wäre eine Leistungsschau wert.

Nach überwiegendem Selbstverständnis ist Österreich jedenfalls eine „Ski-Nation“. Mit jedem Olympiasieg steigt das nationale Selbstbewusstsein. 

In erster Linie ist der Nationalfeiertag schul- und arbeitsfrei. Das macht ihn schon einmal beliebt. Wenn sich, wie heuer, auch noch ein verlängertes Wochenende auftut, umso besser. Ansonsten wird er als kuriose Mixtur zelebriert: Festkonzert mit den Wiener Symphonikern, die obligate Kranzniederlegung, offene Tore im Parlament, in Ministerien und Museen, Rekrutenangelobung, jede Menge Wandern und Radeln. Und der Bundespräsident spricht zur Nation, was immer das ist.

Nach überwiegendem Selbstverständnis ist Österreich jedenfalls eine „Ski-Nation“. Mit jedem Olympiasieg steigt das nationale Selbstbewusstsein. Als „Fußball-Nation“ verstehen wir uns neuerdings auch wieder, nachdem sich das wiederauferstandene Wunderteam unter Schweizer Führung so grandios für die Europameisterschaft 2016 qualifiziert hat. Das hat immerhin den sympathischen Aspekt, dass das Nationalteam ein Musterbeispiel für Integration ist.

Erfolge im Sport wirken gegen einen ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex: Das kleine Österreich besiegt die Großen! Das funktioniert beim Skifahren besonders gut, weil es nur in einer Handvoll von Ländern praktiziert werden kann. Damit das so bleibt, bringen wir allerlei Naturopfer zum Bau von immer noch mehr Liften, Pisten und Hotelburgen. Konsequent wäre, auf dem Heldenplatz auch Schneekanonen in Stellung zu bringen.

Unter dem Motto „Österreich isst frei“ startet der ÖVP-Bauernbund eine Kampagne, die einen merkwürdigen historischen Bogen spannt.

Der Nationalfeiertag hat kein erkennbares Profil und ist in erster Linie Folklore, weil nicht wirklich klar ist, was die österreichische Nation ausmacht und was sie zusammenhalten soll. Gut 20 Jahre nach dem EU-Beitritt wäre es nicht zu früh, ein zeitgemäßes National-Bewusstsein zu entwickeln: Was macht Österreich aus? Was kann heute nationale Identität stiften, was hat sich überlebt, was gilt es zu bewahren? Solange eine solche Diskussion nicht geführt wird, muss der Sinn des Nationalfeiertags nebulos bleiben.

Den Vogel schießt heuer der niederösterreichische ÖVP-Bauernbund ab: Unter dem Motto „Österreich isst frei“ startet er eine Kampagne, die einen merkwürdigen historischen Bogen spannt. Die Unabhängigkeit, die Österreich seinerzeit erlangt hat, soll durch den bewussten Kauf von Lebensmitteln aus heimischer Produktion verteidigt werden – zur Rettung der österreichischen Landwirtschaft. Der Nationalfeiertag als kulinarisches Statement – das kommt der Realität ziemlich nahe. Die Gulaschkanone steht ohnehin schon auf dem Heldenplatz.

*) Der Libero ist ein politisch denkender, von Parteien und Interessenvertretungen unabhängiger Bürger.

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