Missbrauch des Parlaments

ANALYSE VON LIBERO. Die Parteien halten es mit der Kostenwahrheit nicht allzu genau. Ein Sittenbild.

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ANALYSE VON LIBERO*. Die Parteien halten es mit der Kostenwahrheit nicht allzu genau. Ein Sittenbild.

Als Präsidium und Vorstand der SPÖ unlängst einen Präsidentschaftskandidaten zu bestellen hatten, versammelten sie sich nicht in der Parteizentrale in der Löwelstraße, sondern im Parlament.

Ein paar Tage später berieten die FPÖ-Oberen am selben Ort zum selben Thema, mit dem einen Unterschied nur, dass sie vorerst noch keinen weißen Rauch aufsteigen ließen. Also werden sie sich demnächst ein weiteres Mal treffen – vermutlich wieder im Haus am Ring. Dass Parteien das Parlament als Filiale verstehen und ungeniert für ihre Zwecke missbrauchen, ist nicht neu, wird deshalb aber nicht zum Gewohnheitsrecht. Nicht, dass es auf ein paar Stunden Saalmiete, Kaffee, Mineralwasser und Brötchen ankäme, die sich Parteien auf diese Weise ersparen – es geht um Grundsätzliches. Parteisitzungen haben im Parlament schlicht nichts verloren. Das sollte in einer Demokratie selbstverständlich sein, ist es hier zu Lande aber nicht. Vielmehr hat die Schlamperei System, was Regierung und Opposition gleichermaßen zugutekommt.

Begonnen hat alles, wie so oft, wenn Demokratie nicht ganz ernst genommen wurde, mit Jörg Haider. 

Begonnen hat alles, wie so oft, wenn Demokratie nicht ganz ernst genommen wurde, mit Jörg Haider. In seiner Zeit als Parteichef begann die FPÖ damit, die eigene Parteizentrale sukzessive zu verkleinern, klassische Parteiarbeit – und damit Kosten – in das Parlament zu verlagern. Andere folgten dieser Logik. Die SPÖ etwa, weil ihr ein dramatischer Mitgliederschwund massive Einnahmenverluste beschert hat. Die Grünen haben das Haidersche Modell ebenfalls kopiert und für sich maßgeschneidert. Da wie dort ist die offizielle Parteizentrale nicht viel mehr als Fassade, sitzt der Großteil des Personals anderswo, werden fremde Ressourcen genutzt. Das funktioniert, weil sich die Politik ein entsprechendes System gebaut hat.

Die sechs Parlamentsparteien werden heuer in Summe knapp 62 Mio. € aus Steuergeldern einsacken. Knapp die Hälfte davon (29,4 Mio. €) ist für klassische Parteiarbeit reserviert. Der größere Rest ist offiziell für Parteiakademien und parlamentarische Klubs gewidmet. Diese Differenzierung nach Aufgabenbereichen ist sinnvoll, allerdings nur dann, wenn sie auch strikt gelebt wird.

Die Praxis sieht jedoch anders aus, was der Verschleierung dient. 

Die Praxis sieht jedoch anders aus, was der Verschleierung dient. Akademie und Parlamentsklub riechen weniger nach Partei, was üppige Förderungen weniger verdächtigt macht. Und weil es keine strenge Abgrenzung gibt, was wo korrekter Weise passieren soll und was wo nicht, ist Quersubventionierung leicht möglich. Auch die ÖVP – sie ist üblicherweise am korrektesten und hält ihre Vorstandsrunden meistens in der Zentrale ab – kürte dieses Mal ihren Hofburg-Kandidaten in der parteieigenen Akademie im Westen Wiens. Das Ganze hat nicht nur einen finanziellen Aspekt, der ist Nebensache. Da im öffentlichen Ansehen ohnehin nicht sonderlich hoch angesiedelt, schämen sich die Parteien dafür, wieviel Steuergeld sie verschlingen. Also wird vernebelt. Das zeugt von einem gestörten Verhältnis zu Transparenz und beweist einen ausgeprägten Mangel an Sensibilität, was sich in einer Demokratie gehört und was nicht. Wer Partei und Parlament gleichsetzt, verrät ein seltsames Demokratieverständnis.

Es läge am Parlament, für eine klare Abgrenzung zu sorgen. Anstatt sich selbst immer größere Budgets zu genehmigen, sollten sich die Fraktionen verpflichten, kein Parteiersatz zu sein. Das hieße freilich, dass sich der Gesetzgeber selbst bescheiden müsste – vermutlich eine Utopie.

*) Der Libero ist ein politisch denkender, von Parteien und Interessenvertretungen unabhängiger Bürger.

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