Wo bleibt der Inhalt?

ANALYSE. Die Bundespolitik beschränkt sich zunehmend auf Befindlichkeiten, Sympathien und Animositäten. Das wird ihr selbst zum Verhängnis. 

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ANALYSE. Die Bundespolitik beschränkt sich zunehmend auf Befindlichkeiten, Sympathien und Animositäten. Das wird ihr selbst zum Verhängnis.

Ob zu Recht oder zu Unrecht, spielt hier keine Rolle, aber die ehemaligen Vizekanzler, ÖVP-Chefs und Finanzminister Wilhelm Molterer und Josef Pröll sind jetzt nicht gerade in die Geschichtsbücher eingegangen. Zu kurz waren sie im Amt, zu wenig haben sie bewirkt. Bemerkenswert ist jedoch, dass sie im APA/OGM-Vertrauensindex mit die besten Werte erreichten, die dort jemals erhoben wurden: Molterer kam 2003 auf 38 Punkte, Pröll vier Jahre später sogar auf 46. 46! Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) führt die aktuelle Liste zwar an, erreicht aber nur 27 Punkte. Und Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) muss sich – auf Platz 2 liegend – überhaupt mit 23 begnügen. Sprich: Er genießt halb so viel Vertrauen wie es Pröll einst getan hat.

Allein diese Daten sollten Bundespolitikern zu denken geben: Sie alle sind von einem massiven Vertrauensverlust betroffen; und zwar ohne Ausnahme. Über die Gründe kann man nur spekulieren, eine Erklärung ist jedoch naheliegend: Wenn „95 Prozent Inszenierung“ (Kern) sind, es also nur zu fünf Prozent um die Sache geht, dann kann es nicht verwundern, wenn immer mehr Leute misstrauisch werden.

Bezeichnend: Gescheitert ist Mitterlehner nicht etwa, weil irgendjemand igendetwas Inhaltliches verhindert hätte.

Diese Entwicklung könnte einigen Playern der Bundespolitik gerade in den nächsten Wochen zum Verhängnis werden: Kern hat Kurz bereits eine Reformpartnerschaft angeboten. ÖVP-Politiker haben wissen lassen, dass das wohl nicht ernst gemeint sei. Beide werden nun liefern müssen: Wobei es Kern nicht reichen wird, auf den Plan A zu verweisen; zu sehr handelt es sich dabei um ein schier beliebiges Sammelsurium. Der Mann braucht eine Geschichte, die sich in wenigen Sätzen so zusammenfassen lässt, dass ein größerer Teil der Wählerschaft ein Bild im Kopf hat, wohin er Österreich führen will, und im besten Fall für ihn noch dazu begeistert darüber ist. 

Ähnliches hat auch ein Sebastian Kurz nötig: Grenzkontrollen zu fordern, die Türkei zu kritisieren, eine schlankere EU zu verlangen und dergleichen mehr ergibt noch keinen politischen Inhalt: Das mag im Augenblick zwar mehrheitsfähig sein, reicht als dauerhaftes Gestaltungsprogramm aber bei weitem nicht aus. 

Bezeichnend für die Inhaltslosigkeit sind wohl auch die Gründe, die Reinhold Mitterlehner für seinen Rücktritt als ÖVP-Chef und Vizekanzler anführte: Gescheitert ist er demnach nicht etwa, weil irgendjemand igendetwas Inhaltliches verhindert hätte, sondern ausschließlich aufgrund persönlicher Animositäten und Illoyalitäten. Ein Armutszeugnis für die gesamte Bundespolitik.

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