Warum Landbauers Masche aufgehen kann

ANALYSE. Was geht und was nicht geht, ist in Österreich ganz und gar nicht klar. Und dafür, das klarzustellen, ist die Zeit bis zum Urnengang viel zu kurz.

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ANALYSE. Was geht und was nicht geht, ist in Österreich ganz und gar nicht klar. Und dafür, das klarzustellen, ist die Zeit bis zum Urnengang viel zu kurz.

Am Abend des 28. Jänner wird das Ergebnis der niederösterreichischen Landtagswahl feststehen. Und dann wird sich FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer als größter Sieger feiern lassen. Sehr, sehr wahrscheinlich jedenfalls: 2013 hatte seine Partei nur 8,3 Prozent erreicht. Seither ist viel geschehen. Ohne Sebastian Kurz wäre sie heute wohl bundesweit auf Platz eins. In Niederösterreich tritt im Übrigen das Team Stronach nicht mehr an, das die FPÖ vor fünf Jahren einige Prozentpunkte gekostet hatte. Anders ausgedrückt: Sie kann praktisch nur signifikant zulegen, wenn nicht überhaupt stärker als alle anderen Parteien.

Das Schlimme ist, dass Udo Landbauer dann womöglich auch noch sagen wird, dass die Wähler damit ein deutliches Zeichen dafür gesetzt haben, was sie vom „linken Meinungsmonopol“ halten, das versucht habe, ihn für den Liedtext verantwortlich zu machen, der die Vernichtung der Juden im Dritten Reich verherrlicht: Ganz im Sinne des „Jetzt erst recht“-Slogans hätten sie sich das nicht bieten lassen, bitteschön!

Ist das nur ein Albtraum? Zu viel spricht dafür, dass er wahr werden wird. 

Ist das nur ein Albtraum? Zu viel spricht dafür, dass er wahr werden wird. Wo soll man anfangen? Landbauer begibt sich wie gesagt in eine Opferrolle. Und die „NÖN“ hilft zum Beispiel in ihrer Unbeholfenheit mit, wenn sie ihre Sonderberichterstattung zum Thema auf ihrer Website damit betitelt: „Wahlkampf: Landbauer unter Beschuss“. Was immer auch so rüberkommen muss: Landbauer ist Opfer. Wer nämlich „unter Beschuss“ steht, ist ein solches; egal was er vorher gemacht hat.

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Das Problem geht jedoch noch viel weiter: In Österreich ist nicht klar, was geht und was nicht geht. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat vor wenigen Tagen erklärt, dass in der Zusammenarbeit mit der FPÖ das Strafrecht eine Grenze sei. Womit Landbauer gute Chancen hat, innerhalb ebendieser zu bleiben – und am Ende also alles nur halb so schlimm wäre.

Was natürlich inakzeptabel ist: Zu vieles wird nicht durch nur das Strafrecht erfasst.

Was natürlich inakzeptabel ist: Zu vieles wird nicht durch das Strafrecht erfasst. Die Wahrung einer Kultur. Der Umgang mit der Geschichte. Die Wahrnehmung politischer Verantwortung. Etc. Vor diesem Hintergrund kann ein Spitzenkandidat, der fünf Tage vor einem Urnengang behauptet, er sei Opfer, und über den dann auch noch geschrieben wird, er stehe „unter Beschuss“, umso mehr darauf setzen, dass das aufgeht: Schon unter gewöhnlichen Umständen verstreicht eine gewisse Zeit, bis auch beim durchschnittlichen Wähler ankommt, worum es wirklich geht; er beschäftigt sich schließlich nicht permanent mit dem politischen Geschehen, er hat auch noch einen Fulltimejob zu erfüllen, wo kommen wir denn da hin!

In einem Land, in dem es 46 Jahre gebraucht hat, bis ein Kanzler erklärt, es gebe eine Mitverantwortung …

Wobei sich die Sache eben genau beim Antisemitismus erheblich verschärft: In einem Land, in dem es 46 Jahre gebraucht hat, bis ein Bundeskanzler (Franz Vranitzky) am 8. Juli 1991 erklärt, es gebe eine Mitverantwortung österreichischer Bürger an den Verbrechen des Nationalsozialismus; und in einem Land, in dem ganze Generationen mit dem gegenteiligen Verständnis aufgewachsen sind, steht ganz und gar nicht außer Streit, um welche Rolle es beim Holocaust geht und was denn auch nicht zu dulden ist. Zumal sich nur eine verschwindend kleine Minderheit damit auseinandersetzt. 

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