Vom Notstands- zum Untergangstrieb

ANALYSE. Dass sich der Innenminister und der burgenländische Landeshauptmann so sehr nach einem Flüchtlingsstopp sehnen, ist nicht nachvollziehbar. In keiner Weise. Außer, sie wollen Norbert Hofer helfen. 

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ANALYSE. Dass sich der Innenminister und der burgenländische Landeshauptmann so sehr nach einem Flüchtlingsstopp sehnen, ist nicht nachvollziehbar. In keiner Weise. Außer, sie wollen Norbert Hofer helfen. 

Man könnte glauben, SPÖ- und ÖVP-Politiker müssten froh sein, dass das Flüchtlingsthema seit dem Abgang von Werner Faymann nicht mehr ganz oben auf der Agenda steht. Immerhin wird so der Eindruck vermieden, sie seien in einer Frage, die Verunsicherung auslöst, komplett überfordert – was naturgemäß nur den Freiheitlichen und ihrem Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer nützen kann. Ganz besonders dann, wenn Regierungsvertreter allen Ernstes auch noch einen Notstand propagieren.

Der Erfinder dieses Begriffs (in diesem Zusammenhang) könnte sich noch als Totengräber der einstigen Großparteien herausstellen: Immerhin soll mit Erreichen einer „Obergrenze“ von 37.500 Flüchtlingen erklärt werden, dass die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung nicht mehr aufrechterhalten werden könne und daher niemand mehr nach Österreich kommen dürfe.

Bemerkenswert ist, dass sich Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) und der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) geradezu sehnen nach einem solchen Notstand: Sie wollen, dass die Vorbereitungen darauf forciert werden. Was in keiner Weise nachvollziehbar ist.

Die Obergrenze könnte erreicht werden, obwohl ein Großteil der Betroffenen ohnehin wieder abreisen muss.

Zwar dürfte im Frühherbst der 37.500. Flüchtlinge zum Asylverfahren zugelassen werden. Diese Zahl relativiert sich jedoch immer mehr. Hintergrund: Als sie festgesetzt wurde, kamen nicht nur noch mehr Menschen über die Grenzen; es waren vor allem auch viel mehr Menschen aus Bürgerkriegsländern darunter, denen jedenfalls geholfen werden muss. Heute ist das anders, wie etwa die Mai-Daten verdeutlichen: Gegenüber September 2015 ist die Gesamtzahl der Asylanträge um zwei Drittel auf 3795 gesunken – und die jener, die von Syrern stammen, gar um vier Fünftel auf 659.

Tatsächlich steigt die Zahl der Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wird, rasant an. Afghanen haben eine 50 zu 50 Chance, einen positiven oder negativen Bescheid zu kommen. Pakistanis können überhaupt nicht mehr davon ausgehen, in Österreich bleiben zu dürfen. Und so weiter und so fort. Für die Obergrenze berücksichtigt wird aber jeder, der zum Verfahren zugelassen wird. Sprich: Sie könnte erreicht werden, obwohl ein Großteil der Betroffenen ohnehin wieder abreisen muss.

Wenn Hofer Glück hat, wird die Grenze vor dem 2. Oktober erreicht. 

Für Sobotoka und Niessl spielt das keine Rolle. Sie sehnen sich, wie erwähnt, nach dem Notstand. Womit sie Norbert Hofer einen Dienst erweisen: Die Diskussionen könnten seinen Wahlkampf über den Sommer tragen. Und wenn er dann noch ein bisschen Glück hat, wird die Grenze vor der Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl am 2. Oktober erreicht – wobei die Regierung nur verlieren kann: Weist sie den 37.501. Flüchtlinge nicht zurück, macht sie sich unglaubwürdig; tut sie es, bestätigt sie allen Ernstes einen Notstand.

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