Spektakeldemokratie

DIE KOLUMNE VON LIBERO. Wenn es der Politik an Inhalten mangelt, muss die Inszenierung herhalten. Und das bedeutet: Keine Wahl mehr ohne Duell.

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DIE KOLUMNE VON LIBERO*. Wenn es der Politik an Inhalten mangelt, muss die Inszenierung herhalten. Und das bedeutet: Keine Wahl mehr ohne Duell.

Fünfmal am Tag steigt in „Highnoon City“ die große Westernshow. Der Schurke betritt breitbeinig den Saloon, lehnt sich lässig an die Bar, bestellt einen Whiskey, kippt ihn hinunter, pöbelt den Pianospieler an, stößt mit einem Fußtritt den nächstbesten Tisch um, zieht den Colt, knallt ein paar Mal in die Decke – und fordert den Sheriff zum Duell auf. Am Ende liegt der Schurke tot am Boden. Schlecht gelaufen. Das zahlende Publikum möchte an das Gute glauben können und applaudiert dankbar. Der Schurke erhebt und verneigt sich, schüttelt sich den Staub aus den Klamotten, hebt den Hut auf, richtet den Revolvergürtel und schreitet von dannen. In einer Stunde hat er seinen nächsten Auftritt. Er wird wieder erschossen werden.

Heinz-Christian Strache, der sich gern HC nennen lässt, was ihm eine gewisse Verwegenheit verleihen soll, gibt in der österreichischen Politik den Schurken. In wie viele Duelle ist er nun schon gezogen? Und noch kein einziges hat er gewonnen. Auch das jüngste in Wien nicht. Eine „Oktoberrevolution“ rief er aus und Bürgermeister wollte er werden – beides hat nicht stattgefunden. Und trotzdem darf er am Wahlabend unwidersprochen sagen, die FPÖ habe ihre Wahlziele erreicht.

Duelle brauchen voran die Meinungsforscher, denn sie beleben das Geschäft.

Wenn es der Politik an Inhalten mangelt, muss die Inszenierung herhalten. Keine Wahl mehr ohne Duell, zuletzt Häupl gegen Strache vs. Strache gegen Häupl, je nachdem. Auf die beiden war alles zugeschnitten. Doch am Sonntag kam es ganz anders, was uns – noch ganz erstaunt ob des abgesagten Duells – damit erklärt wurde, dass es sich viele Bürgerinnen und Bürger wohl im allerletzten Moment anders überlegt hätten. Eben weil sie jenes Kopf-an-Kopf verhindern wollten, das bis zum Schluss in der Luft gelegen sei. Der Gegenbeweis ist nicht möglich ist, darum ist alles wahr.

Duelle brauchen voran die Meinungsforscher, denn sie beleben das Geschäft. Dann der Zeitungsboulevard, der sich nicht mit Inhalten abplagen mag und deswegen lieber Politik auf die Brutale hat. Dass der öffentlich-rechtliche ORF dabei kräftig mitmischt, entspricht der Logik des Mediums Fernsehen, ist trotzdem jämmerlich.

2016 gilt es einen neuen Bundespräsidenten oder eine Bundespräsidentin zu wählen. Jede Wette, dass wieder die Pistolen knallen werden!

Interesse am Duell haben weiters jene Parteien, die chronisch schwächeln, also SPÖ und ÖVP, die auf diese Weise ihre vorletzten und letzten Getreuen zu mobilisieren versuchen. Indem sie vorgeben, permanent gegen das Böse kämpfen zu müssen, soll verborgen bleiben, dass sie sonst nichts mehr anzubieten haben. Das hilft zugleich jenen, die das Böse glaubwürdig verkörpern, den Rechten. Sie werden auf eine Ebene gehoben, die sie mit harter Oppositionsarbeit nur schwer erreichen würden. Dass Strache – wie vor ihm Jörg Haider – von einem angeblichen Duell zum nächsten eilt und ständig den Kürzeren zieht, macht das Ganze zwar etwas lächerlich, tut aber nichts zur Sache. Mit jedem Mal kommen wieder ein paar Stimmenprozente dazu.

Schlussendlich das Publikum, die Wählerinnen und Wähler, wir. Vermutlich sind wir schuld an der billigen Show, weil wir uns ihr nicht verweigern, sondern immer wieder gebannt hinschauen, auf den stets gleichen Schmäh hereinfallen. Weil wir nicht richtige Politik verlangen anstatt einer Abfolge von Duellen.

Auf zum nächsten Gefecht! 2016 gilt es einen neuen Bundespräsidenten oder eine Bundespräsidentin zu wählen. Wer immer antreten wird: Jede Wette, dass wieder die Pistolen knallen werden!

*) Der Libero ist ein politisch denkender, von Parteien und Interessenvertretungen unabhängiger Bürger.

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