Freunde und Gegenspieler zugleich

ANALYSE. ÖVP und FPÖ bemühen sich um einen partnerschaftlichen Umgang miteinander. Wobei sie sich auf eine Gratwanderung einlassen: Sie sind einander auch die größten Wettbewerber.

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ANALYSE. ÖVP und FPÖ bemühen sich um einen partnerschaftlichen Umgang miteinander. Wobei sie sich auf eine Gratwanderung einlassen: Sie sind einander auch die größten Wettbewerber.

Zwischen ÖVP und FPÖ bzw. Kanzler Sebastian Kurz und Vize Heinz-Christian Strache passt zurzeit nicht einmal das sprichwörtliche Blatt Papier. Sie geben sogar schon gemeinsam Interviews. Ganz ohne Seitenhiebe. Und damit demonstrieren sie, dass sie es ernst meinen mit dem neuen Stil.

Was man inhaltlich auch nachvollziehen kann: Der Aufstieg der beiden ist ohne die Flüchtlingskrise und ihre Antworten darauf nicht denkbar. Das gehört zusammen: Sowohl Strache als auch Kurz haben einer Mehrheit zu verstehen gegeben, dass es so nicht weitergehen kann; dass alles getan werden muss, damit am besten gar kein Mensch mehr auf die Idee kommt, nach Österreich zu fliehen.

Entsprechend ist nun auch das Regierungsprogramm ausgefallen: Wer will schon in ein Land, in dem einem zunächst einmal das Bargeld abgenommen wird? In dem es nur noch Massenunterkünfte gibt? In dem betreuende Ärzte gegenüber Behörden zum Teil von der Verschwiegenheitspflicht entbunden werden? Das sind Signale an Flüchtlinge und den erheblichen Teil der Bevölkerung, der findet, dass sich das genau so gehört.

Viel mehr verbindet ÖVP und FPÖ jedoch nicht. Außer dieser eine Punkt natürlich noch: Sie sind in der Arbeitnehmervertretung summa summarum den Sozialdemokraten weit unterlegen. Daher tun sie gemeinsam alles, um diese zu demontieren. Weniger Beiträge für die Kammern, Schwächung der Sozialpartner (also auch der Gewerkschaft) in arbeitsrechtlichen Belangen (Stichwort Arbeitszeitflexibilisierung), Abschaffung der reinen Selbstverwaltung (durch die Sozialpartner) in den Sozialversicherungen etc. Kollateralschäden auf Seiten der Wirtschaftskammer werden hingenommen. Sie verkraftet das eher.

Sie haben zusammen ein erhebliches Wählerpotenzial, dieses aber müssen sie sich teilen: Hat die eine mehr, bleibt der anderen weniger.

Darüber hinaus aber sollte man nicht übersehen, dass ÖVP und FPÖ einander auch die größten Wettbewerber sind: Beide sind Mitte-Rechts-Parteien. Sie haben zusammen ein erhebliches Wählerpotenzial, dieses aber müssen sie sich teilen: Hat die eine mehr, bleibt der anderen weniger. Der Triumph der Neuen Volkspartei am 15. Oktober hat die Freiheitlichen ein paar Prozentpunkte gekostet. Ja, bevor Sebastian Kurz diese übernommen hat, konnten Heinz-Christian Strache lange davon ausgehen, selbst die große Nummer eins zu werden. Das weiß er. Und das wird er wohl nie ganz verdrängen. Außer, er will ohnehin nur Zweiter bleiben.

Schaut man sich die Wählerschaften genauer an, fallen innerhalb dieses Mitte-Rechts-Segments, das sie gemeinsam bilden, erhebliche Unterschiede auf: Die FPÖ sprach eher Arbeiter und Leute an, die für die Zukunft schwarz sehen, die ÖVP eher Angestellte und Selbstständige, die trotz aller Widrigkeiten der vergangenen Jahren recht zuversichtlich geblieben sind.

Diese beiden Gruppen brauchen in wesentlichen Fragen sehr unterschiedliche Antworten: Die einen, die eher den Freiheitlichen zugewendet sind, wollen einen starken Staat, der sich zum Beispiel auch, wie geplant, in Richtung einer Einheitspension bewegt, die jedem zusteht, egal, wiewenig er eingezahlt hat. Die anderen, die es zur Volkspartei zieht, wollen eher einen schwachen Staat, der sie ganz einfach nur machen lässt, was sie gerne tun würden, insbesondere als Unternehmer. Was denn auch der größte Schwachpunkt der schwarz-blauen Verbindung ist; in solchen Fragen ist es schwer bis unmöglich, es beiden Seiten recht zu machen.

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